Großmütterchen (Gedicht)

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Großmütterchen, auch Meiner guten Oberboden-Großmutter, ist ein Gedicht von Karl May, das seiner Großmutter Johanne Christiane Kretzschmar gewidmet war.

Text[Bearbeiten]

          Großmütterchen.
Sie trug mich stets auf ihren Armen;
  Sie lehrte mich den ersten Schritt,
Und weinte ich zum Herzerbarmen,
  So weinte sie erbarmend mit.
Wenn sie des Abends mich ins Nestchen
  Mit linder Segenshand gebracht,
So bat ich: "Bleibe noch ein Restchen",
  Und meinte da "die ganze Nacht".
Und wenn ein böser Traum mich schreckte,
  So saß sie da beim kleinen Licht,
Nahm weg den Schirm, der es bedeckte,
  Und sah mir liebend ins Gesicht.
Trotz ihrer hellen Augensterne
  That ich sodann die Frage doch:
"Ich träume ohne dich nicht gerne;
  Großmütterchen, sag, wachst du noch?"
Zwar ist sie längst von mir gegangen;
  Ich selbst bin alt, fast schon ein Greis,
Und fühl mich doch von ihr umfangen,
  Die mich noch jetzt zu segnen weiß.
Stets ist es mir, geh ich zur Ruhe,
  Als setze sie sich zu mir hin,
Und wenn ich etwas Wichtges thue,
  Kommt sie mir hilfreich in den Sinn.
So oft ich Sterne leuchten sehe,
  Hell wie in meiner Jugendzeit,
Hör ich ihr Wort: "Was auch geschehe,
  Du und dein Glück, ihr seid gefeit."
Dann möcht ich, wie in jenen Tagen,
  Zwar überflüssig, aber doch
Die lieben, lieben Sterne fragen:
  "Großmütterchen, sag, wachst du noch?"[1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

Manuskript[Bearbeiten]

Während seiner Orientreise fuhr Karl May auf der "Palestina" von Massaua nach Aden (25. bis 27. September 1899). An Bord schrieb er in der Nacht zum 26. September drei Gedichte: Meiner guten Oberboden-Großmutter, Flügel und Kirchlein am Bergeshang.[2] Karl May notierte dazu:

Diese Gedichte ja gut aufheben! Ich gebe sie wahrscheinlich schon Weihnacht 1900 heraus, grad weil die Gegner über meine Gedichte die Nase rümpfen. Hat mich Gott den Dichtern zugesellt, so will ich mich nun grad auch öffentlich unter sie stellen, und zwar nicht etwa hintenan![3]

Himmelsgedanken.[Bearbeiten]

Am 18. Dezember 1900 erschien ein Gedichtband Mays mit dem Titel Himmelsgedanken im Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld.[4] In dieser Ausgabe ist das Gedicht auf den Seiten 109 und 110 enthalten. Der auf der gegenüberliegenden Seite abgedruckte Aphorismus lautet:

Denke nach! Giebt es einen Menschen ohne Religion? Ja, meinst du. So sag, giebt es einen Menschen ohne Cultus? Gewiß keinen![5]

Aus den Himmelsgedanken zitiert und besprochen wurde das Gedicht zu May Lebzeiten in mindestens zwei Zeitungsartikeln: von Lorenz Krapp in der Beilage zur Augsburger Postzeitung (25. Februar 1909) und von Wilhelm Mangels in der Kölner Zeitschrift Der Klassenlehrer (13. März 1909).[6]

Der dankbare Leser[Bearbeiten]

Am 13. Januar 1902 wurde Karl Mays Streitschrift "Karl May als Erzieher" und "Die Wahrheit über Karl May" oder Die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte von einem dankbaren May-Leser anonym im Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld veröffentlicht.[7] In diesem Buch findet sich eine Sammlung von Leserbriefen, von denen einer (Nr. 28) die Himmelsgedanken zum Thema hat. Er lautet:

"Lieber Karl May!
Verzeihen Sie verehrter Herr, diese Anrede, die mir eigentlich nicht zukommt; aber den Verfasser eines Buches wie der "Himmelsgedanken" kann man nur mit diesem Worte anreden – – lieb! Ich habe soeben in stiller Abendstunde Ihr herrliches Buch ausgelesen, und ich muß gestehen, ich bin tief ergriffen von dem Inhalte, von der tiefen Gottesgemeinschaft, die uns aus allen Gedichten erklärend entgegentritt. Es ist mir heiliger Ernst mit diesen meinen Worten, mögen vielleicht auch viele Leute den Kopf über den Gedanken Mays geschüttelt haben, einen Band Gedichte herauszugeben, Gedichte besonders diesen Inhalts, dieses, ich möchte sagen, seelenvollen Inhaltes und Reichthumes.
Selten bin ich so ergriffen worden wie von dem herrlichen "Wo sind die Deinen"; selten hats mich mächtiger gepackt als bei dem Gedicht "Ich saß im lieben, trauten Stübchen" oder bei dem "An die Mutter" überschriebenen; selten habe ich etwas tiefer Empfundenes gelesen als "Großmütterchen" oder "Des Waldes Seele!" Oder – – indessen, wenn ich so fortfahren wollte, würde ich am Ende dahin gelangt sein, die Gedichte allmählig alle angeführt zu haben. Aber weß das Herz voll ist, deß geht der Mund über, und doch möchte ich Ihnen weiter nichts sagen, - ich wohl einer von so vielen Tausenden, die Aehnliches gefühlt haben - als den Dank für die herrliche Gabe, die Sie, verehrter Herr, der Menschheit zu ihrem schönsten Feste unter den Weihnachtsbaum gelegt haben und die hoffentlich recht bald ein dauerndes Besitzthum des ganzen deutschen Volkes sein wird...."
Dr. phil. W. W.[8]

Empor ins Reich der Edelmenschen.[Bearbeiten]

In seinem letzten Vortrag Empor ins Reich der Edelmenschen!, den Karl May am 22. März 1912 in Wien hielt, zitierte er – laut Konzept unter Punkt 13 – zwei seiner Gedichte:

13.   M e i n e   J u g e n d:   Am Besten: Vorlesen.
Ich wurde im tiefsten, im allertiefsten Ardistan geboren. Meine Eltern waren blutarm. Mein Vater, meine Mutter, zwei Großmütter, fünf Kinder, zählten wir neun Personen. Wir haben da fleißig gearbeitet und ebenso fleißig gehungert. [am Rand:   b l i n d!]   Nie sind meine Eltern irgend einem Menschen auch nur einen Pfennig schuldig gewesen. Vater streng, doch gut. Jähzornig. Nächtelang lesen. Mutter:
"Ich hab gefehlt, und du hast es getragen.
Großmutter:
"Sie trug mich stets auf ihren Armen".
Bilderbibel. Kräuterbuch. Hakawati. "Großmutter, ich will Hakawati werden. Ich will von Dschinnistan erzählen; darum muß ich aus Ardistan hinaus!" Und ich bin Hakawati geworden, weite nichts, weiter nichts. Wozu? Wozu?[9]

Ich hab gefehlt, und du hast es getragen ist die erste Zeile des Gedichts An die Mutter, das ebenfalls in den Himmelsgedanken zu finden ist.

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Himmelsgedanken, S. 109 f.
  2. Hans Wollschläger/Ekkehard Bartsch: Karl Mays Orientreise 1899/1900. Dokumentation. In: Jb-KMG 1971, S. 165–215 (S. 183). (Onlinefassung)
  3. Dieter Sudhoff/Hans-Dieter Steinmetz: Karl-May-Chronik II. Sonderband zu den Gesammelten Werken. Karl-May-Verlag Bamberg–Radebeul 2005, S. 282. ISBN 978-3-7802-0170-6.
  4. Hainer Plaul/Gerhard Klußmeier: Illustrierte Karl-May-Bibliographie, S. 244.
  5. Karl May: Himmelsgedanken, S. 111.
  6. KMG-Nachrichten Nr. 164/2010, S. 14 f. (Onlinefassung)
  7. Plaul/Klußmeier: Illustrierte Karl-May-Bibliographie, S. 254.
  8. Karl May: "Karl May als Erzieher" und "Die Wahrheit über Karl May" oder Die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte von einem dankbaren May-Leser. Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld Freiburg i. B. 1902, S. 83 f. (Onlinefassung) Auch in: Karl May: Meine dankbaren Leser. Karl-May-Verlag Bamberg-Radebeul 2005, S. 96.
  9. Ekkehard Bartsch: Karl Mays Wiener Rede. Eine Dokumentation. In: Jb-KMG 1970, S. 47–80 (S. 56 f.). (Onlinefassung)

Literatur[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]