Meine Legitimation (Gedicht)

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Meine Legitimation ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

          Meine Legitimation
Grüß Gott, du liebes Tröpflein Thau!
  So einen Schmuck giebt es wohl nimmer:
Von jedem Hälmchen auf der Au
  Spitzt es wie Diamantenschimmer.
Entstammt der Erde, harrst du froh
  Dem holden Morgenlicht entgegen,
Tränkst deinen Halm und wirst ihm so
  Nicht nur zur Zierde, auch zum Segen.
Kommt dann aus gold-brokatnem Thor
  Die Königin des Tags gestiegen,
So strebst du sehnsuchtsvoll empor,
  Dich ihrem Strahle anzuschmiegen.
Du fühlst, du bist ihr unterthan,
  Du kannst nicht ohne sie bestehen
Und wirst gezogen himmelan,
  In ihrem Kusse aufzugehen.
Ein solches Tröpflein bin auch ich
  Am Lebensmorgen einst gewesen,
Ein Tröpflein, das den andern glich,
  Nicht auserwählt, nicht auserlesen.
Ich hing nicht hoch, ich wurde nicht
  Von einer Rose stolz getragen;
Tief unten sah ich auf zum Licht
  Und durfte kaum zu hoffen wagen.
Da stieg sie auf, so himmlisch klar,
  So gnadenreich, voll Welterbarmen,
Und mich trieb es so wunderbar,
  Mit ihr die Menschheit zu umarmen.
Es war, als ob ich beten müßt:
  "O komm, und stille mein Verlangen!"
Da hat die Liebe mich geküßt,
  Und ich bin in ihr aufgegangen.[1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

Manuskript[Bearbeiten]

Während Karl Mays Orientreise verfasste er am 1. Oktober 1899 an Bord der "Bayern" (von Aden nach Colombo, 29. September bis 6. Oktober) das Gedicht, das im Manuskript noch keinen Titel hatte.[2]

Himmelsgedanken.[Bearbeiten]

Am 18. Dezember 1900 erschien ein Gedichtband Mays mit dem Titel Himmelsgedanken im Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld.[3] In dieser Ausgabe ist das Gedicht unter den Titel Meine Legitimation noch vor dem Inhaltsverzeichnis enthalten. Schon in einem Brief vom 10. September an seinen Verleger Friedrich Ernst Fehsenfeld bestimmte Karl May die Position des Poems innerhalb des Bandes.[4]

Zwei Tage vor Karl Mays 66. Geburtstag erschien im Hohenstein-Ernstthaler Tageblatt vom 23. Februar 1908 der mit r. signierte Beitrag Aus einem bewegten Dichterleben von Willy Winter. Der Verfasser zitierte darin das Gedicht Meine Legitimation aus den Himmelsgedanken vollständig.[5]

Empor ins Reich der Edelmenschen.[Bearbeiten]

In seinem letzten Vortrag Empor ins Reich der Edelmenschen!, den Karl May am 22. März 1912 in Wien hielt, zitierte er – laut Konzept unter Punkt 6 – zwei seiner Gedichte:

Also nicht meine äußere, sondern meine innere Persönlichkeit soll zu Ihnen sprechen, mein Herz! Das ist das Richtige! Die Seele zur Seele, das Gemüth zum Gemüth, das Herz zum Herzen. Dann werden wir uns verstehen! So bin ich aber verpflichtet, Ihnen diese Meine Seele, mein Gemüth, mein Herz offen und ehrlich zu zeigen, damit Sie mich kennen lernen, nicht wie ich von falsch unterrichteter Seite beschrieben werde, sondern wie ich wirklich bin! Wer und was aber bin ich?
"Grüß Gott, du liebes Tröpflein Thau."
"Ich fragte zu den Sternen."
Was für einen Ort aber verstehe ich unter diesem "hier" unter diesem "Himmel", an dem solche Sterne strahlen? Ich bin da, es Ihnen zu sagen.[6]

Ich fragte zu den Sternen ist die erste Zeile des Gedichts Widmung, das in den Himmelsgedanken direkt vor Meine Legitimation zu finden ist.

Spätere Editionen[Bearbeiten]

1932 arbeiteten Johannes Nixdorf und Fritz Barthel das Gedicht für eine geplante, aber nicht verwirklichte Neuausgabe des Gedichtbandes um.[7] Das Gedicht trug dann den Titel Ein Tropfen Tau im All. Bei der wirklichen Neuauflage 1956 griff Roland Schmid auf den ursprünglichen Titel zurück, bearbeitete den Text aber erneut.

Variante[Bearbeiten]

In dem 2012 veröffentlichten Autographenband[8] befindet sich die Reproduktion der Gedichts aus den "Himmelsgedanken" (aus dem Besitz von Louise Dietrich) mit handschriftlichen Anmerkungen. So korrigierte May in der dritten Zeile "Hälmchen" zu "Gräslein" und ersetzte in der zweiten Strophe:

Du fühlst, du bist ihr unterthan, Die lautre Reinheit will und kann
  Du kannst nicht ohne sie bestehen Der Herrlichen nicht widerstehen;
Und wirst gezogen himmelan, Du wirst gezogen himmelan,
  In ihrem Kusse aufzugehen. In ihrem Kusse aufzugehen.

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Himmelsgedanken, S. V f.
  2. Hans Wollschläger/Ekkehard Bartsch: Karl Mays Orientreise 1899/1900. Dokumentation. In: Jb-KMG 1971, S. 165–215 (S. 183). (Onlinefassung) Auch in: Dieter Sudhoff/Hans-Dieter Steinmetz: Karl-May-Chronik II. Sonderband zu den Gesammelten Werken. Karl-May-Verlag Bamberg–Radebeul 2005, S. 293 f. ISBN 978-3-7802-0170-6.
  3. Hainer Plaul/Gerhard Klußmeier: Illustrierte Karl-May-Bibliographie, S. 244.
  4. Sudhoff/Steinmetz (Hrsg.): Karl May: Briefwechsel mit Friedrich Ernst Fehsenfeld. Erster Band. 1891–1906. Karl-May-Verlag Bamberg–Radebeul 2007, S. 334–337. ISBN 978-3-7802-0091-4
  5. Steinmetz: Hohenstein-Ernstthaler Lokalpresse, S. 67 f., 141 f.
  6. Ekkehard Bartsch: Karl Mays Wiener Rede. Eine Dokumentation. In: Jb-KMG 1970, S. 47–80 (S. 53). (Onlinefassung)
  7. Lorenz: Vorwort, S. 9 ff.
  8. Hans Grunert (Hg.): Karl-May-Handschriften aus der Sammlung des Karl-May-Museums Radebeul , Karl-May-Stiftung, 2012, S.82/83

Literatur[Bearbeiten]

  • Ingmar Winter: Karl May: "Meine Legitimation". Eine Gedichtanalyse. In: M-KMG Nr. 72/1987, S. 17–24. (Onlinefassung)
  • Gerd Benner: Noch einmal: "Meine Legitimation". In: M-KMG Nr. 74/1987, S. 46. (Onlinefassung)
  • Ingmar Winter: Diesmal auch: "Meine" Legitimation. In: M-KMG Nr. 75/1988, S. 50 f. (Onlinefassung)
  • Wolfgang Braungart: Erbauungsliteratur. Anmerkungen zu Karl Mays Lyrik. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft (Jb-KMG) 2002, S. 19–39, insb. S. 29–31. (Onlinefassung)
  • Christoph F. Lorenz: Vorwort. Wege zum Gipfel? Karl May als Lyriker, Dramatiker und Essayist. In: Karl May: Lichte Höhen. Karl-May-Verlag Bamberg–Radebeul 1998, S. 5–24, insb. S. 9–11. ISBN 3-7802-0049-X

Weblinks[Bearbeiten]