Entwickelung (Gedicht)

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Entwickelung ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

          Entwickelung.
Kennst du den Stoff? Ich kenne ihn noch nicht;
  Ich hab noch kein Atom, kein Molekül gesehen.
Er liegt zwar vor mir, schwer genug und dicht,
  Doch sein Entstehn ist leider ohne mich geschehen.
Ich weiß nur, daß er sich verändert, schwindet,
  Und frage fleißig mich: Wozu, wohin?
Und wenn dann meine Kraft die Antwort findet,
  Erfahr ich nur, daß ich ein Stoff auch bin.
Kennst du die Kraft? Ich kenne sie noch nicht;
  Ich hab von ihr bisher die Wirkung nur gesehen.
Zwar hör ich's, daß sie Stahl und Felsen bricht,
  Doch ihr Entstehn ist leider ohne mich geschehen.
Ich weiß nur, daß sie mir zuweilen schwindet
  Und frage forschend mich: Warum, wohin?
Und wenn sodann mein Geist die Antwort findet,
  Erfahr ich nichts, als daß auch Kraft ich bin.
  Kennst du den Geist? Ich kenne ihn noch nicht,
Ich habe nur Beweise, daß er wirkt, gesehen.
  Zwar hör ich seine Stimme, wenn er spricht,
Doch sein Entstehn ist leider ohne mich geschehen.
  Ich weiß nur, daß auch er dem Menschen schwindet,
    Und frage mich erstaunt: Weshalb, wohin?
  Und wenn die Seele dann die Antwort findet,
    Erfahr ich nichts, als daß auch Geist ich bin.
  Kennst du die Seele? Nein, du kennst sie nicht,
Und auch mein Auge hat noch keine je gesehen.
  Sie ist zwar meines Daseins Zuversicht,
Doch ihr Entstehn ist leider ohne mich geschehen.
  Ich weiß nur, daß sie uns nie, niemals schwindet,
    Schwebt sie auch oft zu ihrem Ursprung hin,
  Und weil mein Glaube mich mit ihm verbindet,
    Weiß ich von dort, daß ich auch Seele bin.[1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

Am 18. Dezember 1900 erschien ein Gedichtband Mays mit dem Titel Himmelsgedanken im Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld.[2] In dieser Ausgabe ist das Gedicht auf den Seite 251 und 252 enthalten. Der auf der folgenden Seite abgedruckte Aphorismus lautet:

Das Leben bringt genug Wolken. Schaffe dir nicht auch selbst noch welche! Sie enthalten den Blitzstoff, den du nicht beherrschen kannst.[3]

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Sonstiges[Bearbeiten]

Wolfgang Braungart schreibt zu Karl Mays frühem Gedicht Die fürchterlichste Nacht:

Die Strophen beginnen mit der Formel, die man aus Goethes Mignon-Lied in Erinnerung hat, und sie erhalten dadurch schon ein gewisses, aber abgenutztes Pathos, das sich durch die weiteren strukturellen Parallelen noch fortsetzt. May nutzt die "Mignon-Formel" noch einmal im Gedicht "Entwicklung" (S. 181f.): Kennst du den Stoff? ... / Kennst du die Kraft? ... / Kennst du den Geist? ... / Kennst du die Seele?[4]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Himmelsgedanken, S. 251 f.
  2. Hainer Plaul/Gerhard Klußmeier: Illustrierte Karl-May-Bibliographie, S. 244.
  3. Karl May: Himmelsgedanken, S. 253.
  4. Braungart: Erbauungsliteratur, S. 26.

Literatur[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]