Wo sind die deinen? (Gedicht)

Aus Karl-May-Wiki
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Wo sind die deinen? ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

          Wo sind die deinen?
Siehst du dort an des Abgrunds Rand
  Die Schaar der Kinder sorglos schreiten?
Kaum noch die Breite einer Hand,
  So ist der Sturz nicht zu vermeiden.
Zu ihren Füßen gähnt der Tod;
  Vor Angst will dir das Herz erkalten,
Doch ob er grinst, und ob er droht,
  Sie werden unsichtbar gehalten.
Nun steig einmal, du stolzer Mann,
  Hinauf, desselben Wegs zu gehen!
Warum schaust du mich fragend an?
  Warum bleibst du so zagend stehen?
Du fragst und zagst ja nie und nicht
  Auf deinen steilen Zweiflerspfaden;
Wie kommts, daß jetzt der Muth dir bricht?
  Ich glaub, ich habe es errathen.
Du wanderst kühn von Trug zu Trug
  Am Abgrund deiner geistgen Oede,
Doch hier vor diesem Bergeszug,
  Da schwindelt dir, da wirst du blöde.
Nun schau hinauf zum Felsenjoch,
  Und sieh den sichern Gang der Kleinen:
Sie haben ihre Engel noch;
  Du aber sag, wo sind die deinen?[1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

Himmelsgedanken.[Bearbeiten]

Am 18. Dezember 1900 erschien ein Gedichtband Mays mit dem Titel Himmelsgedanken im Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld.[2] In dieser Ausgabe ist das Gedicht auf den Seiten 98 und 99 enthalten. Der auf der folgenden Seite abgedruckte Aphorismus lautet:

Du weißt, daß dein Körper des immerwährenden, unausgesetzten Stoffwechsels bedarf. Deine Seele ebenso. Weißt du auch das? Hast du noch nicht ihren Hunger, ihren Durst beachtet? Gieb ihr, was ihr nöthig ist, aber nicht Lüge anstatt Wahrheit und nicht Finsterniß anstatt Licht![3]

Der dankbare Leser[Bearbeiten]

Am 13. Januar 1902 wurde Karl Mays Streitschrift "Karl May als Erzieher" und "Die Wahrheit über Karl May" oder Die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte von einem dankbaren May-Leser anonym im Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld veröffentlicht.[4] In diesem Buch findet sich eine Sammlung von Leserbriefen, von denen einer (Nr. 28) die Himmelsgedanken zum Thema hat. Er lautet:

"Lieber Karl May!
Verzeihen Sie verehrter Herr, diese Anrede, die mir eigentlich nicht zukommt; aber den Verfasser eines Buches wie der "Himmelsgedanken" kann man nur mit diesem Worte anreden – – lieb! Ich habe soeben in stiller Abendstunde Ihr herrliches Buch ausgelesen, und ich muß gestehen, ich bin tief ergriffen von dem Inhalte, von der tiefen Gottesgemeinschaft, die uns aus allen Gedichten erklärend entgegentritt. Es ist mir heiliger Ernst mit diesen meinen Worten, mögen vielleicht auch viele Leute den Kopf über den Gedanken Mays geschüttelt haben, einen Band Gedichte herauszugeben, Gedichte besonders diesen Inhalts, dieses, ich möchte sagen, seelenvollen Inhaltes und Reichthumes.
Selten bin ich so ergriffen worden wie von dem herrlichen "Wo sind die Deinen"; selten hats mich mächtiger gepackt als bei dem Gedicht "Ich saß im lieben, trauten Stübchen" oder bei dem "An die Mutter" überschriebenen; selten habe ich etwas tiefer Empfundenes gelesen als "Großmütterchen" oder "Des Waldes Seele!" Oder – – indessen, wenn ich so fortfahren wollte, würde ich am Ende dahin gelangt sein, die Gedichte allmählig alle angeführt zu haben. Aber weß das Herz voll ist, deß geht der Mund über, und doch möchte ich Ihnen weiter nichts sagen, – ich wohl einer von so vielen Tausenden, die Aehnliches gefühlt haben – als den Dank für die herrliche Gabe, die Sie, verehrter Herr, der Menschheit zu ihrem schönsten Feste unter den Weihnachtsbaum gelegt haben und die hoffentlich recht bald ein dauerndes Besitzthum des ganzen deutschen Volkes sein wird...."
Dr. phil. W. W.[5]

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Himmelsgedanken, S. 98 f.
  2. Hainer Plaul/Gerhard Klußmeier: Illustrierte Karl-May-Bibliographie, S. 244.
  3. Karl May: Himmelsgedanken, S. 100.
  4. Hainer Plaul/Gerhard Klußmeier: Illustrierte Karl-May-Bibliographie, S. 254.
  5. Karl May: "Karl May als Erzieher" und "Die Wahrheit über Karl May" oder Die Gegner Karl Mays in ihrem eigenen Lichte von einem dankbaren May-Leser. Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld Freiburg i. B. 1902, S. 83 f. (Onlinefassung) Auch in: Karl May: Meine dankbaren Leser. Karl-May-Verlag Bamberg-Radebeul 2005, S. 96.

Weblinks[Bearbeiten]