Hadschi Halef Omar
Hadschi Halef Omar Ben Hadschi Abul Abbas Ibn Hadschi Dawuhd al Gossarah ist eine literarische Figur, die in verschiedenen Abenteuerromanen von Karl May auftritt. Sie ist nach Winnetou und Old Shatterhand die vielleicht bekannteste Figur aus Karl Mays Werken. Sie taucht überwiegend in den im Osmanischen Reich spielenden Orient-Romanen auf.
Inhaltsverzeichnis
im Werk[Bearbeiten]
Halef, wie er üblicherweise genannt wird, ist der ständige Begleiter des Ich-Erzählers Kara Ben Nemsi auf dessen gefahrvollen Reisen quer durch das Osmanische Reich und über den Balkan. Zunächst nur tapferer Diener Kara Ben Nemsis, wird Halef im Verlauf der verschiedenen Romane immer mehr zum treuen Weggefährten und Freund. Parallel dazu verläuft auch sein sozialer Aufstieg – zunächst vom einfachen Diener zu einem angesehenen Neu-Mitglied der Haddedihn-Beduinen vom großen Stamme der Schammar bis schießlich zum Scheich seines Stammes.
Nachdem Halef anfangs versucht, Kara Ben Nemsi vom Christentum abzubringen, gelingt es diesem durch seine Taten, Halef nach und nach von der Berechtigung seiner christlichen Denk- und Handlungsweise zu überzeugen. Anders als in den Amerikaromanen, wo der Ich-Erzähler Old Shatterhand und sein Blutsbruder Winnetou beide "Superhelden" sind, ist Halef eine Figur mit etlichen Schwächen, wie auch der "Hauptheld" Kara Ben Nemsi in den Orienterzählungen mehr Schwächen als sein "Wildwest-Gegenstück" zeigt, und auch dadurch dem Menschlichen näher gezeichnet wird. Klein und schmächtig von Gestalt, dafür von um so größerer Tapferkeit, oft voreilig handelnd und doch voller Einfallsreichtum und List, ist Halef ein liebenswürdiger Kerl, dessen größte Schwäche sein Hang zum Aufschneiden und zur Prahlerei ist.
Die Bezeichnung Hadschi bezeichnet einen Muslim, der die Pilgerfahrt (Hadsch) nach Mekka nach der im Koran vorgeschriebenen Weise unternommen hat. Schon beim ersten Auftreten im Band Durch die Wüste nennt sich Halef einen Hadschi, muss allerdings auf Nachfragen von Kara Ben Nemsi zugeben, dass weder er noch seine Vorfahren je in Mekka gewesen waren. Im Laufe der Reise besucht er aber zusammen mit Kara Ben Nemsi Mekka, so dass er sich nun zu Recht Hadschi nennen darf.
Weiterhin ist Halefs Liebe zu seiner Frau Hanneh kennzeichnend für ihn. Er beschreibt und lobt sie immer in einer sehr blumigen Weise, lebt auch – im Gegensatz zu einigen Stammesgenossen, die ein System mit einer Haupt- und zwei oder drei Nebenfrauen kennen – monogam mit ihr. Ihr einziger Sohn Kara Ben Halef spielt in späteren Romanen eine größere Rolle.
Die Kenntnis des vollständigen Namens ist übrigens für den echten Karl-May-Leser unabdingbar, nur dadurch kann er sich als richtiger Karl-May-Fan "legitimieren".
Biografie[Bearbeiten]
Halef stammt aus Dschunet/Djanet im Südosten des heutigen Algeriens und ist, als er Kara Ben Nemsi kennenlernt, arm und alleinstehend; eventuelle lebende Verwandte werden nicht erwähnt. Sowohl sein Großvater Dawuhd al Gossarah (entstammt den Uëlad Bu Seba und den Uëlad Selim[1]) als auch sein Vater Abul Abbas hatten bereits versucht, die Hadsch nach Mekka zu absolvieren, waren aber auf der Reise "hängengeblieben", hatten geheiratet und waren verstorben, ohne ihr Ziel erreicht zu haben. Wann und wie Kara Ben Nemsi Halef in seine Dienste genommen hat, wird nicht erzählt. Anfangs ist Halef ein unsauberes Kerlchen, der ein hohes, dürres Pferd reitet, nützlicherweise aber sämtliche Sprachen und Dialekte von der westlichen Sahara bis zum Nildelta beherrscht. Seine – vom eigenen Lohn gekaufte – Kurbatsch, die in seinen Händen bisweilen mehr Werkzeug gewalttätiger Herrschsucht als gerechter Bestrafung ist, behält er bis ins Spätwerk.
Er heiratet aus Gefälligkeit Hanneh, die Tochter Amschas und Abu Seïfs und Enkelin von Scheik Malek, da nur eine Verheiratete Mekka besuchen darf. Zwischen den beiden entwickeln sich aber echte Gefühle, und auf die ursprüngliche Vereinbarung einer Trennung nach dem Mekka-Besuch wird in allgemeinem Einverständnis verzichtet, nachdem Halef den Mann getötet hat, der Hannehs Mutter in Unehre brachte. Halef wird dadurch in den Stamm der Ateïbeh (bzw. in die Gruppe der verfemten Ateïbeh) aufgenommen und mit diesen gemeinsam in den Stamm der Haddedihn. Dort zeichnet er sich so aus, dass er in der Hierarchie des Stammes aufsteigt und letztlich deren Scheich wird.
Halef wird schon auf den ersten Seiten des Orientzyklus eingeführt mit dem Versuch, Kara Ben Nemsi zum Islam zu bekehren. Im Laufe der Zeit wird es allerdings er sein, der zum Christentum hingezogen wird. Im Anhang zu Der Schut gelten er und Omar Ben Sadek als zumindest heimliche Christen, in Nûr es Semâ und in Bei den Aussätzigen bekennt er sich offen als solcher. Anders als bei Winnetou, dem Old Shatterhand/Karl May (allerdings nicht innerhalb des eigentlichen Werks) eine Nottaufe angediehen haben lassen will, ist bei Halef nie von einer Taufe die Rede. Halefs christlicher Glaube wird im Spätwerk, wo Halef eine symbolische Funktion einzunehmen hat, stellenweise wieder verwischt.
Halefs Tod an Typhus war von Karl May – angeblich[2] – im "dritten Band seines Silbernen Löwen" geplant gewesen, er habe es dann aber nicht übers Herz gebracht, den Freund sterben zu lassen. Nach anderer Ansicht soll Halef irgendwann in dem 1909 noch viel weiter projektierten Spätwerk (zu dem es dann leider nicht mehr kam) verstorben sein.[3]
Halefs Alter[Bearbeiten]
In Ardistan und Dschinnistan I wird erwähnt, dass Kara Ben Nemsi und Halef gleichaltrig seien. In einem Brief an Baron Hans von Laßberg schreibt May im Jahre 1897, Halef sei 49 Jahre alt.[4]
literarischer Werdegang[Bearbeiten]
Halef trat erstmals 1880 auf[5] und war da bereits als Figur vollständig angelegt.
Es gibt aber in Mays Werk einige Vorläuferfiguren, aufschneiderische Diener der Hauptfigur, wie z.B. Omar-Arha Ben Afradin aus Leïlet oder Hassan el Kebihr aus Die Gum.
Halef als Spiegelung[Bearbeiten]
Die Sekundärliteratur ist sich mehr oder weniger einig, dass Halef mit allen seinen menschlichen Schwächen, seinem Prahlen und Aufschneiden, seinem guten Willen (der nicht immer seinem Können entspricht), aber auch seinem eher schmächtigen Äußeren, den eigentlichen Karl May darstellt, und nicht (nur), wie von diesem lange Zeit behauptet, der praktisch unfehlbare Old Shatterhand/Kara Ben Nemsi. In Mein Leben und Streben deutet May die Figur des Halef auf diese Weise:
- ... dieser Hadschi ist meine eigene Anima, jawohl, die Anima von Karl May! Indem ich alle Fehler des Hadschi beschreibe, schildere ich meine eigenen und lege also eine Beichte ab, wie sie so umfassend und so aufrichtig wohl noch von keinem Schriftsteller abgelegt worden ist.
Eine etwas andere Interpretation gab Arno Schmidt, der (in einer gar nicht unamüsanten Weise) aus einigen Textstellen und Leben-Werk-Parallelen den Schluß zog: "HALEF ist ganz simpel MAY's eigener Penis!"[6] Die daraus folgende Doppeldeutigkeit des (angeblichen) Mayschen Auspruchs "Ich bringe es nicht übers Herz, meinen Hadschi Halef sterben zu lassen, es geht über meine Kraft. Ich habe den kleinen Burschen zu lieb, ist er doch ein Teil meines eigenen Ich!"[7] ist Schmidt dabei (natürlich?) nicht entgangen.[6]
Sonstiges[Bearbeiten]
Halef nennt sich auch "Halef Agha" (Senitza-Episode aus Durch die Wüste) bzw. wird "Abu Kalilin" ("Vater der Wenigen [Haare]") genannt.
Zum Ende der Ereignisse um den Schut reisen Omar Ben Sadek und Halef zusammen zu den Haddedihn, um sich ihnen anzuschließen. Zu Beginn von Nûr es Semâ heißt es nun allerdings:
- Es war Mitte Dezember. Wir kamen von Bagdad herauf und wollten meinen Freund Amad el Ghandur, den Scheik der Haddedihn-Araber vom großen Stamme der Schammar besuchen. Wenn ich sage "wir", so ist damit außer mir nur noch mein kleiner, wackerer und treuer Diener Hadschi Halef Omar gemeint. Wir waren vor Jahren bei den Haddedihn gewesen, hatten ein gutes Andenken zurückgelassen und wußten, daß sie uns mit großer Freude bewillkommnen würden.[8]
Es stellt sich hier die Frage, warum Halef seinen eigenen Stamm besuchen will.
In Mater Dolorosa steht:
- Er war nach unserm "Letzten Ritte" nach Konstantinopel gegangen, um dort, wie er sich ausdrückte, im Schatten der Dankbarkeit zu leben. Sein Weib Hanneh, die "Lieblichste unter den Töchtern", war dort zu ihm gekommen. Dennoch hatte er es in der großen Stadt nicht ausgehalten, sondern war mit seinem Frauchen zu deren Angehörigen nach Arabien zurückgekehrt. Daran trug Rih, der echte Araberhengst, den ich ihm geschenkt hatte, wohl die meiste Schuld. Das herrliche Pferd verkümmerte in der Stadt; es gehörte in die Wüste, und – – – nun, so brachte er es eben hin. Das schrieb er mir. Als ich dann später wieder einmal nach Kairo kam, trieb mich die Sehnsucht, ihn aufzusuchen.
Irgendwie passt aber auch das nicht zu dem angegebenen Ende des Orientzyklus und zum steilen Aufstieg des "Schwiegerenkels" des Scheik"bruders"[9] Malek, dem späteren Scheik und Nachfolger Amad el Ghandurs, zu dessen Nachfolger als Scheik der Haddedihn Halef wurde.
Jörg Kastner schrieb mit Die Oase des Scheitans (später als erweiterte Neuauflage unter dem Titel Hadschi Halef Omar) eine Erzählung, die zeitlich vor dem Orientzyklus spielt und u.a. das erste Kennenlernen zwischen Halef und Kara Ben Nemsi schildert.
Edmund Theil geht in seinem Romanzyklus Die Jagd auf die Raubkarawane ebenfalls intensiver auf die Biografie Halefs ein: Laut Theil wurde Halef 1850 geboren und starb 1920. Seine Mutter Amareh war eine Targi.
Halef im Film[Bearbeiten]
- Bereits zur Stummfilmzeit (1920/21) gab es erste Orientroman-Verfilmungen. In den Filmen wurde Halef von Meinhart Maur gespielt.
- Im ersten Karl-May-Tonfilm "Durch die Wüste" (1936) spielte ihn Heinz Evelt.
- In den Karl-May-Filmen der 1950er Jahre spielte Georg Thomalla den Halef.
- In den Karl-May-Filmen der 1960er Jahre wurde Halef von Ralf Wolter dargestellt.
- In der 6-teiligen Fernsehserie "Mit Karl May im Orient" (1963) wurde Halef von Osman Ragheb dargestellt.
- In der 26-teiligen Fernsehserie "Kara Ben Nemsi Effendi" (1973/75) wurde er von Heinz Schubert gespielt.
Halef auf der Bühne[Bearbeiten]
Wulf Leisner und Roland Schmid schrieben ein Theaterstück mit dem Titel "Hadschi Halef Omar", welches v.a. auf "Allah il Allah!" beruhte und als erstes Karl-May-Orientabenteuer 1955 in Bad Segeberg aufgeführt wurde. Peter Görlach ließ 2017 Halef erstmals in den Wilden Westen reisen.
Darsteller:
- Aloys Kuttin 1955 (Hadschi Halef Omar) und 1956 in Bad Segeberg (In den Schluchten des Balkan)
- Gerd Teller 1959 (Hadschi Halef Omar), 1960 (In den Schluchten des Balkan), 1963 (Durch die Wüste) und 1968 (In den Schluchten des Balkan) in Bad Segeberg
- Rudi Greve 1964 in Elspe (Hadschi Halef Omar)
Rudi Greve, 1964
- Heinrich Greve 1969 in Elspe (In den Schluchten des Balkan)
- Udo Bodnik 1972 in Bad Segeberg (In den Schluchten des Balkan)
- Jürgen Feindt 1978 in Bad Segeberg (Durchs wilde Kurdistan)
- Peter Anders 2002 und 2003 in Annaberg-Buchholz (Der Schut)
- Markus Schaub 2006 in Weitensfeld (Kara Ben Nemsi und der Schut)
- Christian Ruth 2012 in Jonsdorf (Die große Orientreise)
- Björn Trenner 2017 in Dasing (Winnetou und die Felsenburg)
Halef im Hörspiel[Bearbeiten]
- Joachim Baumert
- Matthias Koeberlin
- Bernd Kreibich
- Joseph Offenbach
- Peter Schiff
- Frank Scholze
- Horst Uhde
- Joachim Wolff
u.v.a.
Das auf dem Band Durch die Wüste beruhende Litera-Hörspiel trug den Titel "Hadschi Halef Omar".
Musik[Bearbeiten]
Die Gruppe "Dschinghis Khan" hatte 1979 einen Musiktitel namens "Hadschi Halef Omar", der in der Schweizer Hitparade bis auf Platz 3 vorrückte und in der deutschen bis auf Platz 7.
Anmerkungen[Bearbeiten]
- ↑ Karl May: Durch die Wüste. Band 1 der Gesammelten Reiseromane, Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld, Freiburg i. Br. 1892, 7. Kapitel, S. 230.
- ↑ Neue Freie Presse vom 7. Januar 1936, siehe auch Diskussion:Am Tode.
- ↑ Siehe Forendiskussionsbeitrag mit Verweis auf das Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft von 1983.
- ↑ Karl May: Briefe an das bayerische Königshaus. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1983, S. 78.
- ↑ Karl May: Giölgeda padishanün. Reise-Erinnerungen aus dem Türkenreiche. In: Deutscher Hausschatz, VII. Jg. (1880/81).
- ↑ 6,0 6,1 Arno Schmidt: Sitara und der Weg dorthin – eine Studie über Wesen, Werk & Wirkung Karl May's, §27.
- ↑ Klara May: Mit Karl May durch Amerika, S. 27.
- ↑ Karl May: Nûr es Semâ, S. 465 der Buchausgabe (Orangen und Datteln).
- ↑ Mohammed Emin hatte mit Malek und Kara Ben Nemsi Bruderschaft geschlossen.
Literatur[Bearbeiten]
- Franz Kandolf: Von Hassan el Kebihr bis Hadschi Halef Omar. In: Karl-May-Jahrbuch 1926, S. 357–368. (Nachdruck in Karl Mays Orientzyklus, 1991).
- Emil Sehling: Die Eheschließung Halefs. In: Karl-May-Jahrbuch 1928.
- Christoph F. Lorenz/Bernhard Kosciuszko: Hadschi Halef Omar. Die Genese eines Dieners. In: Dieter Sudhoff/Hartmut Vollmer (Hrsg.): Karl Mays Orientzyklus, 1991.
- Rudi Schweikert: Arabisches Namen-Puzzle sowie Halef. In: "Ihr kennt meinen Namen, Sir?" Studien zur Namengebung bei Karl May. Sonderheft der Karl-May-Gesellschaft Nr. 134/2006.
- Rudolf Lüthe: Die Komik der Unvollkommenheit und der Fremdheit. Eine idealistische Beschreibung der Figuren Hadschi Halef Omar, ›der blaurote Methusalem‹ und Sam Hawkens. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 2019.
- Nicolas Finke/Stefan Schmatz: Hadschi Halef Omar in der Karl-May-Wirkungsgeschichte. Kara Ben Nemsis Sidekick in Film, Fernsehen, Illustration und auf der Bühne. In: Karl May & Co. Nr. 160, 2020.
- Nicolas Finke/Stefan Schmatz: Halef 2.0. Kurioses und Skurriles im Zusammenhang mit Hadschi Halef Omar. In: Karl May & Co. Nr. 161, 2020.
Informationen zu Figuren in Karl Mays Werken finden Sie auch im Karl May Figurenlexikon.
Die zweite Auflage dieses Werkes finden Sie online auf den Seiten der KMG.
Weblinks[Bearbeiten]
- Der Eintrag bei Wikipedia (filmlastig).