Der Hanschen

Aus Karl-May-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Der Hanschen ist ein Gedicht von Louis Jean Jacques Angely, das in die Rubrik Allerlei der von Karl May redaktionell betreuten Zeitschrift Schacht und Hütte aufgenommen wurde. Es wurde in Heft 40 abgedruckt.

Text[Bearbeiten]

'Der Hanschen.
Vor seinem Löwengarten,
Das Kampfspiel abzuwarten,
Ist gesessen zu sitzen Seine
Majestät der König Franz.
Und um ihn rund herum die Großen von der Krone,
Und nochmals rund herum auf einem hohen Balkone:
Die Damen und Mamsells und Kammerjungfern im schönsten Kranz.
Im höchsten Wix und Glanz.
Und Seine Majestät der König winkt mit dem Zeigefinger;
Da thut sich auf der weite Zwinger
Und herein zu treten tritt
Mit einem getretenen Schritt
Ein Löwe herein zu treten gegangen
Und seht sich ganz indifferent und unbefangen
Und mäuschenstumm
Rund herum.
Und weil er schon oft hat gesehen die Edelknaben,
Und ihm wahrscheinlich die Damens nicht gefallen haben,
So fangt er an zu gähnen
Und schüttelt die Mähnen,
Und dann gähnt er wieder
Und dann streckt er sich nieder.
Da hat er gelegen, geschüttelt, gegähnt, gestreckt, da liegt er! -
Und Seine Majestät der König Franz winkt wieder
Da öffnet sich ein zweites Thor,
Daraus kommt mit großem Rumor
Ein Tigerthier zu rennen gerannt –
Ein Tigerthier, sag ich Ihnen, meine Ehre zum Pfand,
Als ein unangenehmes Vieh in der ganzen Gegend bekannt.
Wie das den Löwen erschaut
Brüllt er, ohne sich vor Seiner Majestät zu geniren, ganz laut,
Und schlägt mit dem Schweif
Einen fürchterlichen Reif,
Und streckt die Zunge zum Halse heraus
Das war ein Graus, -
Und geht rund herum
Immer um den Löwen herum;
Darauf streckt er sich knurrend,
Und schnurrend, und mit den Pfoten purrend
In den Sand nieder,
Und räkelt sich die Glieder.
Da hat er gelegen, da hat der Löwe gelegen, haben sie alle beide gelegen!
Und Seine Majestät der König Franz winkt wieder:
Da speit das doppelt geöffnete Haus
Auf einmal zwei Legeparden heraus.
Sehr schön gewachsen, mit lange Taillen,
Aber sonst ein Paar infame Kanaillen.
Die stürzen mit muthiger Kampfbegier
Sich hin auf das knurrende Tigerthier.
Das kriegt sie zu packen mit seine grimmigen Tatzen
Und will ihnen gleich die Augen auskratzen.
Aber der Löwe steht auf mit großen Gebrüll
Und sagt: Meine Herren, schweigen sie still!
Das heest: er hat nicht auf deutsch gesprochen,
Aber er hat ihnen so deutliche Winke gestochen,
Daß sie haben einen Schreck bekommen,
Und haben sich’s gleich ad notam genommen;
Denn sie haben gleich ganz still geschwiegen –
Vor Bosheit hätten sie mögen die Kränke kriegen.
Und rund herum im Kreis,
Von Mordfurcht heiß,
Lagern sich die gräulichen Katzen,
Und hätten mögen vor Aerger platzen.
Da haben sie also alle viere gelegen, hier der Löwe, da der Tiger, hier die Legeparden!
Da fällt von hohen Altanes Rand
Ein weißer Glacéhanschen von schöner Hand,
Zwischen des Tigerthier und den Leuen,
In die Mitte von die Beester mitten hinein,
Und zum Ritter Delorges mit spottendem Mund
Dreht sich rund herum, ganz rund,
Die schöne Fräulein Kunigund
Und sagt zu ihm: Verzeihen Se, Herr Ritter, hat sie gesagt,
Ist Eure Liebe werklich so heiß, sagt sie,
Als Ihr mir es schwört zu jeglicher Stund, hat sie gesagt,
So geht hinunter in der Thiere Kreis, sagt sie,
Und bringt mir meinen Hanschen wieder eben so weiß
Als er is gefallen hinunter, hat sie gesagt. –
Und der Ritter macht sich die Thüre auf
Lauft hinab im gelaufenen Lauf,
Tritt hinein in den förchterlichen Zwinger,
Geht mit festem Schritte
In der wilden Beester Mitte,
Und nimmt den Hanschen heraus mit dem Daumen und dem Zeigefinger.
Und mit Erstaunen und mit Grauen
Sehen’s die Ritter und die Edelfrauen,
Und ganz gelassen brengt er den Hanschen zurück,
Das war ein Glück!
Und sein Lob erschallt rund herum in der Runde,
Selbst Seine Majestät der König spricht mit eigenem Munde:
"Recht brav, Herr Ritter! Nein gewiß! Was wahr is, muß wahr bleiben,
Der Hofmarschall soll die That in’s Contebuch schreiben.
"Es freut mir, daß Sie nicht sind gekommen vor die Hunde!"
Wie das der König hat annoncirt,
So wird rund herum geapplaudirt,
Und mit sehr verliebtem Blick,
Ihm verheißend sein nahes Glück,
Wendet sich rund herum, ganz rund
Zu ihm die Fräulein Kunigund,
Und sagt sehr schön mit süßlichem Mund:
"Mein lieber Ritter,
"Sie seind nicht bitter:
"Geben Se mir meinen Hanschen her –
"Ich werd Ihre Frau, parole d’honneur."
Aber der grobe Mensch, denken Sie sich,
Nimmt den Hanschen ganz kaltblütiglich,
Und schmeißt ihn ihr zu werfen in die Physiognomie,
Und sagt: "Da haben Sie ihren Hanschen. Ihre Hand begehr‘ ich nie!
"Die Probe meiner Liebe war zu vermessen,
"Denn beinah hätten mir die Beester gefressen!"
Drauf dreht er sich rund herum, ganz rund
Und hat sie lassen sitzen zur selbigen Stund.
Daraus können sich die jungen Mädchen die Lehre notiren,
Deß sie ihre Liebhaber nicht zu sehr cujonniren!