Kolportage
Der Ausdruck Kolportage (von frz. porter à col = auf den Schultern tragen) bezeichnet auch den Vertrieb von Büchern in Einzellieferungen durch Hausierer ("Kolporteure").
Inhaltsverzeichnis
Geschichte[Bearbeiten]
Im frühen 19. Jahrhundert minimierten die Verleger von besonders dicken Werken (auch des Brockhaus und von Meyers Konversationslexikon) ihr Risiko, indem sie diese in Lieferungen von zwei Bögen – also 32 Seiten – teilten und auf diese Weise vertreiben ließen. So mussten sie immer nur kleine Mengen produzieren und auch nicht wohlhabende Kunden konnten die Lieferungen bezahlen. Hatte man auf diese Weise alle Lieferungen eines Bandes erhalten, ließ man sie beim Buchbinder privat binden.
Die Kolportage war im 19. Jahrhundert auch ein bedeutsames Instrument christlicher Mission. Bibeln, religiöse Traktate, gedruckte Predigtsammlungen und andere christliche Literatur wurden von Kolporteuren bis in die entlegensten Gegenden gebracht. Bei solchen Reisen hielten die Kolporteure auch Hausgottesdienste und Bibelstunden ab. Dabei waren sie nicht selten das Opfer staatlicher und staatskirchlicher Repression. Geld- und Gefängnisstrafen waren die Regel. Einige Kolporteure bezahlten ihre Arbeit als christliche Literaturvertreiber auch mit dem Leben. Viele freikirchliche Gemeinden verdanken ihre Entstehung der Kolportage. Zu den bekanntesten Verlagen, die im freikirchlichen Bereich mit Kolporteuren arbeiteten, gehörte der heute noch existierende Oncken-Verlag.
Weitere Entwicklungen[Bearbeiten]
Nach und nach wurde auf diese Art aber nur noch Trivialliteratur vertrieben und die seriösen Verlage zogen sich aus dem Kolportagegeschäft zurück. Seither bezeichnete "Kolportage" nur noch Literatur, die auf niedrigem Niveau produziert wurde. Vergleichbar ist sie mit heutigen Groschenromanen.
Ab 1869 stiegen immer mehr Branchenfremde in den Kolportagehandel ein wie z.B. Heinrich Gotthold Münchmeyer.
Wichtige Verlage für Trivialliteratur[Bearbeiten]
1820er bis 1860er:
- Gottfried Basse, Quedlinburg
- Ernst Friedrich Fürst, Nordhausen
- Christian Ernst Kollmann, Leipzig
- Ludwig Schreck, Leipzig
- Friedrich Wilhelm Goedsche, Meißen
- Johann Joseph Beyer, Löbau (später Dresden)
1860er bis 1914:
- H. G. Münchmeyer, Dresden
- Richard Hermann Dietrich, Dresden
- Friedrich Tittel, Dresden (bzw. Tittel's Nachfolger)
- Adolph Wolf, Dresden
- Theodor Remert, Dresden
- Alwin Eichler, Dresden
- Werner Grosse, Berlin
- August Weichert, Berlin
- Hermann Oeser, Neusalza
Karl Mays Kolportageromane[Bearbeiten]
- Waldröschen (1882/83)
- Die Liebe des Ulanen (1883/84) (strenggenommen keine Kolportage, da der Roman in einer richtigen Zeitschrift erschien)
- Der verlorne Sohn (1884/85)
- Deutsche Herzen - Deutsche Helden (1885/86)
- Der Weg zum Glück (1886/87)
- Delila (nie erschienen, Manuskript abgebrochen)
Sonstiges[Bearbeiten]
Heute bezeichnet das Verb "kolportieren" in Anlehnung daran abwertend das Verbreiten von Gerüchten und Gesellschaftsklatsch, von dem die Boulevardzeitungen traditionell nicht zuletzt leben.
In Österreich werden Straßenverkäufer von Zeitungen bis heute "Kolporteure" genannt.
Literatur[Bearbeiten]
- Günter Kosch/Manfred Nagl: Der Kolportageroman. Bibliographie 1860 bis 1960. Metzler-Verlag 1999.
- Andreas Graf: Kolportage bei Münchmeyer und anderswo (I). Dresden und Berlin als Produktionszentren von ›Volksromanen‹ 1850-1930. In: Mitteilungen der Karl-May-Gesellschaft Nr. 149 und Nr. 150/2006.
- Ralf Harder: "Pünktlich und zuverlässig". Die Existenzgrundlage des Kolportagebuchhandels. In: Der Beobachter an der Elbe Nr. 17/2011.