Die heimathlose Fanna (Gedicht)

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Die heimathlose Fanna, auch Die Fanna ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

 "Die heimathlose Fanna.
Es treibt die Fanna heimathlos
  Auf der bewegten Fluth,
Wenn auf dem See gigantisch groß
  Der Talha Schatten ruht.
Er breitete die Netze aus
  Im klaren Mondesschein,
Sang in die stille Nacht hinaus
  Und träumte sich allein.
Da rauscht' es aus den Fluthen auf
  So geistergleich und schön;
Er hielt den Kahn in seinem Lauf
  Und ward nicht mehr gesehn.
Nun treibt die Fanna heimathlos
  Auf der bewegten Fluth,
Wenn auf dem See gigantisch groß
  Der Talha Schatten ruht."[1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

in Die Juweleninsel[Bearbeiten]

In Mays Roman Die Juweleninsel (18801882) ist das Gedicht ein Lied, das der indische Ex-Höfling Lidrah in einer Verkleidung als laskarischer Pilger zur Raflah (Laute) singt. Er gibt an, das Lied von einem Franken gelernt zu haben:

"So sollst Du uns ein Lied singen. Nimm die Raflah, und wenn mir Dein Lied gefällt, dann nehme ich Euch umsonst bis nach Kalkutta mit."
"Deine Seele ist voller Güte und Dein Herz voller Barmherzigkeit, Sahib," antwortete Lidrah im höchsten Grade erfreut über das glückliche Gelingen seiner Absichten. "Ich werde mir Mühe geben, Dir und den Deinen zu gefallen."
Er nahm die Raflah, gab den Saiten eine andere Stimmung und begann:
"Es treibt die Fanna heimathslos
  Auf der bewegten Fluth,
Wenn auf dem See gigantisch groß
  Der Talha Schatten ruht."
Alle Anwesenden horchten auf. Das waren ganz andere Klänge, als sie zu hören gewohnt waren. Lidrah bemerkte es und fuhr fort:
"Er breitete die Netze aus
  Im klaren Mondesschein,
Sang in die stille Nacht hinaus
  Und träumte sich allein."
Jetzt erschien über dem Borde des Fahrzeuges ein Männerkopf, der seine dunklen Augen auf den Sänger richtete, welcher weiter sang:
"Da rauscht' es aus den Fluthen auf,
  So geisterbleich und schön;
Er hielt den Kahn in seinem Lauf
  Und ward nicht mehr gesehn."
Da war neben dem Männerkopfe ein wunderbar schönes Frauenantlitz zu erblicken. Kein Schleier deckte es, kein vorgehaltenes Tuch verbarg es vor dem Auge des Kundschafters, welcher jetzt das Lied beendete:
"Nun treibt die Fanna heimathslos
  Auf der bewegten Fluth,
Wenn auf dem See gigantisch groß
  Der Talha Schatten ruht."
Die Männer schlugen zum Zeichen ihres Beifalles mit den Händen auf ihre Knie. Lidrah achtete gar nicht darauf. Sein Auge war auf den schönen Mann gerichtet, welcher jetzt an einer von Palmenfasern gedrehten Strickleiter vom Schiffe an das Ufer stieg und zum Feuer trat. Es war Maletti.
"Wer bist Du?" frug er den Kundschafter.
"Ein Laskar, Namens Lidrah, Sahib.
"Ein Laskar? Wie kommst Du hierher?"
"Ich und mein Bruder Kaldi hier kehren von einer Pilgerschaft zurück."
"Du singst und spielst, wie ich es von einem Indier noch nie gehört habe."
"Ich habe es von einem Manne gelernt, der aus dem Lande der Franken kam."
"Dachte es. Kannst Du noch mehrere solcher Lieder?"
"Ja, Sahib."
"Die Sahiba dort oben will gern noch eines hören."
"Wenn sie es befiehlt, so werde ich ihr sehr gern gehorsam sein, Sahib."[2]

in Der Weg zum Glück[Bearbeiten]

Im Kolportageroman Der Weg zum Glück wird das Gedicht zweimal genannt. Zunächst dichtet Max Walther es im Gespräch mit dem Wurzelsepp als Vorlage für ein vom Elephantenhanns zu zeichnendes Bild:

"[...] Jetzt ist die Hauptsache, daß sich unser Hanns an die Arbeit macht. Ich habe hier Papier und Pastellstifte mitgebracht und werde ihm zeigen, wie man damit umzugehen hat. Und damit er einen Faden besitzt, nach welchem er sich richten kann, will ich ihm ein Gedicht dictiren über ganz denselben Gegenstand, über welchen er ein Bild anfertigen soll. Bitte, Hanns, nehmen Sie Papier her, und schreiben Sie sich Folgendes auf:
"Die heimathlose Fanna. [...]
Der Lehrer hatte keine Ahnung, welchen Einfluß dieses Gedicht, dessen Verfasser er selbst war, da er es augenblicklich improvisirte, ohne es sich merken zu lassen, auf die spätere Gestaltung seines Lebens haben sollte.
Hanns schrieb die Strophen nieder und erhielt dann eine kurze Unterweisung über die Anwendung der Pastellstifte.[3]

Über dieses Bild spricht Hanns dann später mit dem König:

"[...] Ich hab ein Bild zu zeichnen über ein Gedichten, welches dera Herr Lehrern macht hat."
"Erlauben Sie mir, es zu lesen?"
"Er wird wohl nix dagegen haben, wann ichs Ihnen mal zeig."
"Geben Sie es mir getrost! Ich werde es bei ihm verantworten. Wir sind gute Freunde."
"So sollen Sie es gern haben. Hier ists."
Der König erhielt das Blatt. Er las:
"Es treibt die Fanna heimathlos [...]
Der König ließ die Hand, in welcher er das Blatt hielt, langsam niedersinken und blickte still durch das niedere Fenster hinaus. Die Anwesenden sagten kein Wort. Der Ausdruck seines Gesichts sagte ihnen deutlich, daß er jetzt im Geiste mit dem Inhalte der soeben gelesenen Strophen beschäftigt sei. Sein Auge hatte einen sinnenden und doch beinahe begeistert glänzenden Blick. Er nickte dann leise und wie zustimmend mit dem Kopfe und sagte:
"Wer es nicht versteht, der kann dieses Gedicht nicht würdigen. Es ist ein geistreiches Gemälde einer südlichen, fremdartigen Landschaft, in kurzen, kräftigen und doch so tief durchdachten Worten – ein Meisterstück, welches eben nur von Meistern beurtheilt werden kann."[4]

1904 wurde diese Fassung von Adalbert Fischer in den Sammelband Sonnenstrahlen aus Karl Mays Volksromanen aufgenommen.

in Im Lande des Mahdi II[Bearbeiten]

In seiner Reiseerzählung Im Lande des Mahdi II (1896) ist das Gedicht die deutsche Fassung einer afrikanischen Gondeliera:

Zu meiner Rechten lag die sterile, erbarmungslose Wüste, und zu meiner Linken glänzten wie winzige Elfenleiber die Blüten jener ewig ruhelosen Pflanze auf dem Wasser, welche nicht im Boden wurzelt und deshalb immerwährend ihren Standort ändert. Sie kommt besonders im Tsadsee in großen Mengen vor, und die Bewohner von Bornu und Baghirmi singen ein Ruderlied, eine allerliebste Gondeliera von ihr, welche deutlich beweist, daß auch jene Völker poesiereich sind. Das Lied würde, frei ins Deutsche übersetzt, lauten:
"Es treibt die Fanna heimatlos [...]
Anstatt in die Tiefe des Islam versunken zu sein, dachte ich beim Anblicke der hellen Blüten der "heimatlosen Fanna" an dieses Lied und den Schauplatz desselben, wo nächtlicherweile Löwen, Elefanten, Nashörner und Nilpferde, die Riesen der Tierwelt, friedlich einander am Ufer begegnen; friedlich, aber nur aus Furcht, dem gewaltigen Gegner unterliegen zu müssen.[5]

im Karl-May-Jahrbuch 1919[Bearbeiten]

Unter dem Titel Die Fanna wurde das Gedicht in das Karl-May-Jahrbuch 1919 aufgenommen.

Sonstiges[Bearbeiten]

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Aktuelle Ausgaben der genannten Werke sind in der Bücherdatenbank zu finden:

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 31200.
  2. Karl May: Die Juweleninsel. In: Karl Mays Werke, S. 8955–8957.
  3. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 31199–31201.
  4. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 31486 f.
  5. Karl May: Im Lande des Mahdi II. In: Karl Mays Werke, S. 49263 f.
  6. Pauler: Deutscher Herzen Liederkranz, S. 82.

Literatur[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]