Ali Bey

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Ali Bey (sitzend) im Mai 1909

Ali Bey (*Oktober 1846; †Januar 1913), ab dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts Ali Beg transkribiert, war von 1899 bis zu seinem Tod Mîr (Fürst) bzw. Mîr-i-Sheikhan (Fürst der Scheichs) der Jesiden.[1]

Über Ali Beys Geburt gibt es einen Bericht, weil der englische Archäologe Austen Henry Layard zu dieser Zeit Gast seines Vaters, Hussein Bey, des damaligen Mîrs, in dessen Residenz in Baadri war. Layard wurde die Ehre zuteil, einen Namen für das Kind auszuwählen. Er entscheidet sich für „Ali Bey“, den Namen von Hussein Beys Vater, was allgemeine Zustimmung findet. Ali Bey, genannt „der Große“, Husseins Vater, wurde noch sehr verehrt, weil er lieber starb, als zum Islam zu konvertieren.

Im Jahr 1875 beschuldigte der Pascha von Mossul Hussein Bey, einen Aufruhr im Dschabal Sindschar angestiftet zu haben und ließ ihn in Mossul unter Hausarrest stellen. Sein jüngerer Bruder Abdi Bey übernahm seine Funktionen, sah sich aber bald mit der Rebellion zweier der sechs Söhne seines Bruders konfrontiert, Hadi Bey und Hasan Bey. Ali Bey dagegen unterstützte gemeinsam mit seinem Bruder Mirza Bey, dem drittältesten, seinen Onkel. Der Aufstand der beiden Prinzen endete mit deren Tod; es ist nicht überliefert, unter welchen Umständen. Auch über die Rolle der beiden übrigen Brüder, Badih Bey und Suleiman Bey, gibt es keine Nachricht.

Im Jahr 1879 starb Hussein Bey, und nach der Tradition hätte Ali Bey als der Erstgeborene seine Nachfolge antreten sollen. Er überließ dies aber seinem Bruder Mirza Bey, dem dritten Sohn seines Vaters. Lediglich den religiösen Teil der Funktionen des Mîrs beanspruchte er für sich.[2] Der zweitälteste der Brüder, Badih Bey, soll sich dieser Regelung widersetzt haben und daraufhin von Mirza Bey getötet worden sein, aber nach anderen Quellen lebte Badih Bey 1892 noch.

Aus Mirza Beys Zeit als Mîr sind keine Erfolge überliefert. Ihm wurde wie seinem Vater Hussein Bey eine ausgeprägte Neigung zum Alkohol nachgesagt. Anfang 1884 war der österreichische Arzt Dr. Browski, der in der osmanischen Armee diente, Mirza Beys Gast in Baadri und schrieb:

Myrza Bey ist, wie sein seliger Vater, ein gewaltiger Schnapstrinker vor dem Herrn und wird alle Abend im Zustande völliger Bewusstlosigkeit von seinen Dienern nach dem Harem geschleppt.[3]

Im Jahr 1892, als es keinen Pascha in Mossul gab — Osman Pascha war abberufen, Aziz Pascha noch nicht angekommen —, begann Omar Wehbi Pascha, ein türkischer General in Mossul, mit genozidalen Aktionen gegen die Jesiden im Dschabal Sindschar; unter dem Hinweis, sie seien mit ihren Abgaben im Rückstand. Daraufhin reiste Mirza Bey mit einer Delegation von etwa 40 hochgestellten Jesiden, unter ihnen seine Brüder Ali Bey und Badih Bey, nach Mossul. Zunächst wurden sie standesgemäß empfangen und beherbergt, aber am nächsten Tag wurde von ihnen, entsprechend einer Vorgabe aus Stambul, unter Androhung von Gewalt die Konversion zum Islam verlangt. Die meisten, darunter Mirza Bey und Badih Bey, beugten sich dem Druck. Diese beiden sowie ein weiterer Angehöriger der jesidischen Herrscherdynastie wurden mit dem Titel Pascha und einem monatlichen Gehalt von 2.000 Piastern belohnt. Mirza Bey musste einen überschwänglichen Brief an den Sultan schreiben, in dem er sich dafür bedankte, dass er nebst aller 1,1 Millionen Jesiden den Weg des Irrtums und der Unwissenheit verlassen und den Pfad zur Vervollkommnung einschlagen konnte. Diese angebliche Konvertierung der Jesiden hatte zur Folge, dass ihr Heiligtum, das Grabmal Scheik Adis in Lalisch von der türkischen Obrigkeit in eine Koranschule umgewandelt wurde.

Ali Bey, wie schon sein gleichnamiger Großvater, blieb trotz körperlicher Misshandlungen seinem Glauben treu und war deswegen unter den Jesiden hoch angesehen. Aus Sorge, einen weiteren Märtyrer zu schaffen,[4] wurde der Versuch, ihn zur Konversion zu zwingen, auf Anweisung aus Istanbul nach zwei Monaten aufgegeben, aber er wurde ins Exil nach Kastamonu in Nordanatolien verbannt.

Seine 18-jährige Ehefrau Mayan Khatun,[5] die er gerade erst geheiratet hatte, begleitete ihn ins Exil. Mayan Khatun war seine Cousine, die Tochter seines Onkels Abdi Bey, der in ihrer Kindheit die Funktion des Mîrs der Jesiden ausübte. Über ihre Mutter war sie die Enkelin von Jasim Bey, dem früheren Mîr, den Ali Beys Vater getötet hatte, um an die Macht zu kommen.

Durch entschiedene Intervention vor allem durch die englische Botschaft, aber wohl auch durch andere westeuropäische Mächte wurde Ali Bey 1898 erlaubt, sein Exil zu verlassen. Kurz nach seiner Rückkehr starb Mirza Bey im Jahr 1899 und Ali Bey trat seine Nachfolge an.

Er erwies sich als energischer, aber auch geschickter und diplomatischer Anführer, dem es gelang, viele der Wunden, die während der Herrschaft seines Bruders geschlagen worden waren, behutsam zu heilen. Im Jahr 1904 konnten die Jesiden ihr Heiligtum in Lalisch wieder in Besitz nehmen.

Ali Beys Lebenswandel unterschied sich von dem der anderen Mîre seiner Zeit. Im Alter von 62 Jahren wurde er von einer englischen Reisenden, Gertrude Bell, für einen Nachkommen des von Layard erwähnten Ali Bey gehalten (obwohl er ja dieser selbst war), und kurz vor seinem Tod, als er 66 Jahre alt war, schätzte ein englischer Missionar ihn auf 45.

Entsprechend seinem vorsichtigen Vorgehen sind weitere herausragende Ereignisse aus seiner Herrschaft nicht überliefert. Obwohl er sowohl als Persönlichkeit als auch als Mîr positiv von seinen beiden Vorgängern, seinem Vater Hussein Bey und seinem Bruder Mirza Bey, abstach, wusste er sich in Gefahr. Aus unterschiedlichen Quellen wird übereinstimmend berichtet, dass es für die Führer der Jesiden sozusagen die „natürliche Todesart” gewesen sei, von einem potentiellen Nachfolger umgebracht zu werden, damit dieser früher und sicherer an die Macht käme. Ali Bey ließ sich ständig von Leibwächtern schützen; dennoch wurde er um den Jahreswechsel 1912/1913 nachts in seinem Bett ermordet.

Aufgeklärt wurde dieser Mord nicht. Der erste Verdächtige war Safr Aga, der Anführer des kurdischen Stammes der Doski, der in dieser Nacht Gast in Ali Beys Residenz war. Es wird das Gerücht kolportiert, er habe ein Verhältnis mit Mayan Khatun, der Frau seines Gastgebers, gehabt, die selbst auch verdächtigt wurde, hinter dem Mord zu stecken. Ein weiterer Verdächtiger war ein nicht namentlich genannter Neffe Ali Beys, der nach einem früheren Versuch der Machtergreifung nach Russland hatte fliehen müssen und nun zurückgekehrt sein sollte.

Mayan Khatun hatte mehrere Kinder von ihrem Mann geboren, aber nur eines hat das Säuglingsalter überlebt, ihr Sohn Said Beg, der jetzt 13 Jahre alt war; also zu jung, um das Amt seines Vaters übernehmen zu können. Gut fundierte Ansprüche hatte Mayan Khatuns Bruder Ismail Beg. Sein Großvater mütterlicherseits war Mîr Jasim Bey, sein Großvater väterlicherseits war Mîr Ali Bey der Große und sein Vater Abdi Bey war einige Jahre lang Regent an Stelle von dessen Bruder Mîr Hussein Bey, als der sich in Mossul im Hausarrest befand. Mayan Khatun jedoch lenkte den Mordverdacht auf ihren Bruder und konnte dadurch dessen Ansprüche abwehren. Ihr Sohn wurde als der neue Mîr anerkannt und sie selbst bis zu seiner Volljährigkeit als Regentin eingesetzt.

Kurz danach wurden zwei Brüder namens Fattah und Ali aus einem anderen Clan, der Basmariya-Familie,[6] des Mordes beschuldigt. Die Basmariyas waren neben der Chol-Familie, die seit langem die Herrscher stellte, die einzigen, die einen historischen Anspruch auf die Herrschaft geltend machen konnten. Mayan Khatun ließ die beiden Brüder und deren Söhne töten.

Mîr Said Beg wird als sehr schwacher Mensch geschildert, der zeitlebens unter dem Einfluss seiner Mutter stand. Er starb 1944 und seine Mutter übernahm wieder die Regentschaft; diesmal für ihren 11-jährigen Enkel Tahsin Said Beg. Erst mit ihrem Tod im Jahr 1957 endete die über 40-jährige — teils offizielle, teils inoffizielle — Herrschaft von Ali Beys Witwe Mayan Khatun über die Jesiden.

Mîr Tahsin Said Beg starb 2019 im Exil in Deutschland; bereits ein Jahr zuvor hatte er das Amt an seinen Sohn übergeben: Mîr Hazim Tahsin Said Beg, den Urenkel Ali Beys.

Ali Beys Grab befindet sich auf dem Friedhof von Baadri in einem eigens errichteten Mausoleum, das immer noch von vielen Jesiden regelmäßig besucht wird.

bei Karl May[Bearbeiten]

Werke mit
Ali Bey
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Durch die Wüste
Durchs wilde Kurdistan


Ali Bey ist der weltliche Führer der Dschesidi („Teufelsanbeter”) in Baadri und der Sohn Hussein Beys.

In „Durch die Wüste“, dem ersten Band des „Orientzyklus“, befreit Kara Ben Nemsi drei Abgesandte Ali Beys namens Pali, Selek und Melaf, die dem Pascha von Mossul Geschenke und einen Brief überbringen sollten, aber unterwegs von Arabern des Stammes Abu Hammed unter ihrem Scheik Zedar Ben Huli gefangen genommen wurden, um Lösegeld zu erpressen.

Als Kara Ben Nemsi, Hadschi Halef Omar und Mohammed Emin etwas später nach Baadri kommen, treffen sie auf Ali Bey:

[Er war ein] junger Mann von sehr schöner Gestalt. Er war hoch und schlank gewachsen, hatte regelmäßige Gesichtszüge und ein Paar Augen, deren Feuer überraschend war. Er trug eine fein gestickte Hose, ein reiches Jäckchen und einen Turban, unter welchem eine Fülle der prächtigsten Locken hervorquoll.[7]

Sie lernen ihn als klugen und umsichtigen Anführer seines Volkes kennen, dem es im Konflikt der Dschesidi mit den Türken — der Pascha von Mossul will die Dschesidi überfallen — mit der Hilfe Kara Ben Nemsis gelingt, die türkischen Truppen in Scheik Adi gefangen zu nehmen, den Makredsch von Mossul, den Hauptverantwortlichen für den Überfall, unschädlich zu machen und den Pascha zu einem Friedensabkommen zu zwingen.

Bei dem in Kurdistan spielenden Teil des „Orientzyklus“ — also dem Ende des ersten Bandes „Durch die Wüste“, dem gesamten zweiten Band „Durchs wilde Kurdistan“ und den ersten Seiten des dritten Bandes „Von Bagdad nach Stambul“ — stützt Karl May sich beim geografischen und historischen Rahmen fast ausschließlich auf Austen Henry Layards Werk „Niniveh und seine Ueberreste“. Hier erfährt er, dass bei Layards Besuch in Baadri im Jahr 1846 der Anführer der Jesiden Hussein Bey hieß und erhält auch seine Beschreibung:

Sobald ich mich dem Dorfe näherte, begegnete ich dem Hussein Bey, in dessen Begleitung ich die Priester und die vorzüglichsten Einwohner zu Fuß fand. Der Häuptling war etwa 18 Jahr alt und einer der schönsten jungen Männer, die ich je gesehen habe. Seine Gesichtszüge waren regelmäßig und zart, seine Augen hatten viel Lüstre und unter seinem bunten Turban flossen die langen rabenschwarzen Locken hervor. Ein weiter, weißer Mantel von feinem Gewebe war über sein reiches Jäckchen und seine Roben geworfen.[8]

Ebenso erfährt May, dass in diesem Jahr der erste Sohn, also normalerweise der Nachfolger Hussein Beys geboren wurde und den Namen Ali Bey erhielt. Bei den unsicheren Verhältnissen in der Region konnte May mit einer gewissen Berechtigung darauf spekulieren, dass der 1828 geborene Hussein Bey zum Zeitpunkt der Handlung des „Orientzyklus“ nicht mehr lebte und dass der gut dreißigjährige Ali Bey der Anführer der Jesiden geworden war.[9] Dass die Geschichte einen anderen Verlauf genommen hatte, konnte zu diesem Zeitpunkt in Deutschland niemand wissen.

Literatur[Bearbeiten]

  • Ainsworth, William Francis: The Assyrian Origin of the Izedis or Yezidis — the so-called "Devil Worshippers". In: Transactions of the Ethnological Society of London. Vol. I. New Series., John Murray, London 1861.
  • Fuccaro, Nelida: Aspects of the social and political history of the Yazidi enclave of Jabal Sinjar (Iraq) under the British mandate, 1919-1932 Durham theses, Durham University, 1994.
  • Guest, John S.: Survival among the Kurds: A History of the Yezidis Routledge, Abingdon-on-Thames 2010.
  • Heard, W. B.: Notes on the Yezidis. In: The Journal of the Royal Anthropological Institute of Great Britain and Ireland Vol. 41, London 1911.
  • Layard, Austen Henry: Niniveh und seine Ueberreste, Neue wohlfeile Ausgabe, Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig 1854.
  • Mingana, Alphonse: Devil-Worshippers: Their Beliefs and Their Sacred Books In: The Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland July 1916, London 1916.
  • Parry, Oswald H.: Six Months in a Syrian Monastery Horace Cox, London 1895.
  • Siouffi, Nicolas: Notice sur la secte des Yézidis In: Journal Asiatique, septième série, tome XX, Société Asiatique, Paris 1882.
  • Wigram, William Ainger & Wigram, Edgar Thomas Ainger: The Cradle of Mankind; Life in Eastern Kurdistan A&C Black Ltd., London 1922.
  • Informationen zu Figuren in Karl Mays Werken finden Sie auch im Karl May Figurenlexikon.
    Die zweite Auflage dieses Werkes finden Sie online auf den Seiten der KMG.


Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Informationen über die Mîre der Jesiden finden sich im Artikel über Ali Beys Vater, Hussein Bey.
  2. Es findet sich auch die Behauptung, Mirza Bey sei der Erstgeborene gewesen, dies ist jedoch nach Layards insgesamt sehr zuverlässigem Bericht und den meisten anderen Quellen nicht richtig.
  3. Browski, Louis Egmont: Die Jeziden und ihre Religion. In: Das Ausland, 59. Jahrgang, Nr. 39, 28. September 1886, J. G. Cotta’sche Buchhandlung, Stuttgart, S. 762.
    Browskis Aufsatz scheint von einer Abneigung gegen die Jesiden geprägt zu sein und enthält etliche krasse Fehler, aber in diesem Punkt wird er zumindest im Grundsatz durch andere Quellen bestätigt.
  4. Die Versorgung der Provinz mit Lebensmitteln war schwierig, und Aufstände gefährdeten sie stark.
  5. Khatun entspricht bei Frauen dem Bey bei den Männern.
  6. Der Name dieser Familie wird von May im „Orientzyklus“ erwähnt; verballhornt zu Posmir. Claudius James Rich, Mays Quelle, schreibt Pesmir.
  7. Karl May: Durch die Wüste. Gesammelte Reiseerzählungen, Band 1, Verlag Friedrich Ernst Fehsenfeld, Freiburg 1892, S. 140.
  8. Layard, Henry Austen: Niniveh und seine Ueberreste, Neue wohlfeile Ausgabe, Verlag der Dyk'schen Buchhandlung, Leipzig 1854, S. 145-146.
    Inventar-Nr. KM0689 in Karl Mays Bibliothek.
  9. Kandolf, Franz: Kara Ben Nemsi auf den Spuren Layards (Ein Blick in die Werkstätte eines Schriftstellers). In: Dieter Sudhoff/Hartmut Vollmer (Hsg.): Karl Mays Orientzyklus. Igel Verlag Wissenschaft, Paderborn 1991, ISBN 3-927104-19-1, S. 198.