Wilhelm Carstanjen

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Wilhelm Otto Ernst Arthur Carstanjen (*25. Juli 1867 in Berlin) war Rechtsanwalt in Hohenstein-Ernstthal. Seine Kanzlei war in der Moltkestraße 11.

Wilhelm Carstanjen und Karl May[Bearbeiten]

Nach dem Artikel Hinter die Kulissen in Rudolf Lebius' Zeitschrift Der Bund wurde am 7. Juni 1910 gegen Lebius' Informant Richard Krügel von Rechtsanwalt Max Hermann Haubold in Karl Mays Namen beim Amtsgericht Hohenstein-Ernstthal eine Privatklage eingereicht.[1] Einen Tag später erhielt Krügel diese Klage zugestellt. In seiner Aussage vom 17. August heißt es dazu:

Hiervon habe ich Herrn Lebius benachrichtigt und angefragt, was ich tun solle. Herr Lebius schrieb, wir seien im Rechte, ich solle die zwei Schriftstücke, die er mir mitschickte, unterschreiben, bei Gericht einreichen, und im Uebrigen mich an Herrn Rechtsanwalt Carstanjen in Hohenstein-Ernstthal wenden. Das habe ich getan.[2]

Am 3. August erteilte Richard Krügel Wilhelm Carstanjen die Vollmacht in Sachen May ./. Krügel. Die Anwaltskosten übernahm Rudolf Lebius.[3] Tags darauf schrieb Karl May einen Brief an seine Schwester Wilhelmine Schöne:

Bitte, sucht heimlich zu erfahren, ob Lebius jetzt wieder bei Krügel war oder ob Krügel in Berlin bei Lebius gewesen ist. Auch möchte ich gern wissen, welchen Advokaten Krügel bei der Verhandlung haben wird. Vielleicht weiß es Albani.[4]

Krügels Advokat Carstanjen beantragte am 5. August beim Amtsgericht die Ladung der Zeugen Wilhelm Friedrich Koch, Wilhelm Eduard Beyer und Ernst Otto Köhler. Sie sollen bekunden,

dass der verstorbene Krügel die Mitteilungen, die er dem Angeklagten gemacht hat und die den Gegenstand der Privatklage bilden, einer unbegrenzt grossen Menge von anderen Personen gleichfalls wiedergegeben hat.[5]

Die Verhandlung dieser Privatklagesache war auf Dienstag, den 9. August, festgesetzt. Karl May war bereits am Tag zuvor in Begleitung seiner Frau Klara May und seines Berliner Anwalts Siegfried Puppe in Hohenstein-Ernstthal und traf Verwandte und Bekannte.[6] In einem Brief vom 24. Januar 1954 an den Karl-May-Verlag Radebeul schrieb Walter Schumann, der 1910 bei Wilhelm Carstanjen gelernt hatte:

Die Verhandlung war für Dienstag angesetzt. Ich weiß noch genau, wie da am Montag alles zusammengetragen wurde, um Ungünstiges über Karl May im Prozeß vorzutragen, soweit es seine Vergangenheit betraf. An ältere Leute mußte ich Schreiben austragen, damit sie als Zeuge auftraten und zum Termin kämen, um über Karl May und seine Untaten auszusagen. Eine gerichtliche Ladung konnte nicht mehr erfolgen, weil die Zeit bis zum Termin zu kurz war.[7]

Am gleichen Montag traf Richard Krügel Rudolf Lebius in Hohenstein-Ernstthal der ihn überreden wollte, vor Gericht eine Falschaussage zu machen. Nachdem dieser sich aber geweigert hatte, gingen beide in das Büro des Anwalts und verhandelten mit Wilhelm Carstanjen weiter, allerdings ebenso erfolglos.[8]

Bei der Gerichtsverhandlung am 9. August sagte Krügel wahrheitsgemäß aus und nahm seine beleidigenden Behauptungen, die im Artikel Hinter die Kulissen veröffentlicht worden, mit Bedauern zurück. Daraufhin zog Karl May, der mit den Anwälten Haubold und Puppe erschienen war, seine Privatklage zurück. Die Parteien einigten sich also auf einen Vergleich, die Verfahrenskosten trug der Angeklagte, die gerichtlichen Kosten wurden gegeneinander aufgehoben.[9]

Von Mays weiterem Aufenthalt in Hohenstein-Ernstthal ist in einem Brief Wilhelm Carstanjens an Klara May vom 25. August die Rede:

Sie hatten selbst die Gnade mir gegenüber am Tage nach der Verhandlung zu sagen, daß Sie persönlich sowie Ihr verehrter Herr Gemahl durch mein Verhalten im Gerichtssaal nicht verletzt worden seien, wie ich ja auch thatsächlich darauf hingewirkt habe, daß der zu Grunde liegende Proceßstoff ausschließlich in den rein zur Sache gehörigen Grenzen vorgetragen und verhandelt wurde.[10]

Bereits am 20. August hatte Karl May Wilhelm Carstanjen ein Exemplar der Sascha-Schneider-Mappe Herrn Rechtsanwalt W. Carstanjen in herzlicher Hochachtung gewidmet,[11] dem Klara May verschiedene Drucksachen, Ansichtskarten und einen Begleitbrief samt Einladung in die Radebeuler Villa "Shatterhand" beigelegt hatte.[12]

Im oben genannten Brief vom 25. August dankte Carstanjen dafür und fügte an:

Ich werde dieser Erlaubnis so bald, als es mir nur möglich sein wird und mit der größten Freude nachkommen, drängt mich doch der Wunsch sehr, Ihrem verehrten Herrn Gemahl persönlich wieder die Hand schütteln zu dürfen, nachdem ich schon seit vielen Jahren sein stiller Verehrer gewesen war. [...] Diese Preßprozesse müssen meiner Ansicht nach bald gänzlich aufhören. Ich sinne darüber nach, wie das wohl am besten zu bewerkstelligen ist. Ihr Herr Gemahl muß Ruhe bekommen um jeden Preis.[13]

Ob Wilhelm Carstanjen die Mays tatsächlich besuchte, ist nicht bekannt.

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 168 f.
  2. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 169.
  3. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 240.
  4. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 241.
  5. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 244.
  6. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 247 f.
  7. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 248 f.
  8. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 249 f.
  9. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 252-259.
  10. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 259.
  11. Steinmetz: Lokalpresse, S. 89.
  12. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 274.
  13. Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik V, S. 279.

Literatur[Bearbeiten]

Informationen über Zeitgenossen Karl Mays finden Sie im Namensverzeichnis Karl May – Personen in seinem Leben von Volker Griese unter Mitwirkung von Wolfgang Sämmer.