Pelzdiebstahl 1865

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Pelzhandlung Erler um 1872
Handgeschriebene Visitenkarte
Innenstadtplan von Leipzig, 1858
Das Polizeiamt in der Reichsstraße

Nachdem er nach dem Uhrendiebstahl mit einem Berufsverbot belegt worden war, sann Karl May auf "fürchterliche Rache"[1] und nahm 1865 erstmal ein Zimmer in Leipzig-Gohlis (Möckernsche Straße 28b) bei Ernst Wilhelm Damm. Zur Tarnung mietete er sich zusätzlich am Thomaskirchhof 12 – in der Zeitung fälschlich (?) "Neukirchhof" genannt – ein.

Beschreibung der damaligen Presse[Bearbeiten]

Am 20. März d.J. traf er hier ein, suchte und fand eine im Tageblatte angekündigte Wohnung als seinem Zwecke entsprechend auf dem Neukirchhofe Nr. 12, 3 Treppen, wurde mit der Wirthin über den Miethzins einig, hing seine Geldtasche in dem dortigen Kleiderschranke auf und entfernte sich sodann Behufs eines dringenden Geschäftsweges, nachdem er sich für einen Noten= und Formenstecher Hermes ausgegeben hat.
Bald darauf kehrte er in seine Stube zurück, gefolgt von dem Lehrling eines hiesigen, auf dem Brühle wohnhaften Kürschnermeisters, der einen von Hermes erhandelten Reisepelz im legalen Werthe von 60 Thlr. überbrachte, um dagegen den Kaufpreis in Empfang zu nehmen. Hermes probierte nochmals das Kleidungsstück um, meinte, daß es nicht das ausgesuchte sein könne, weil es ihm zu weit vorkomme und entfernte sich dann, um das Geld, so wie Tinte und Feder zur Quittung überbrachten Rechnung zu holen, in das Nebenzimmer, um von hier aus, ohne zuvor seinem Versprechen Folge geleistet zu haben, sofort zu verschwinden.
Inzwischen hatte May nichts Eiligeres zu thun, als den erschwindelten Pelz an den Mann zu bringen. Einem Meubleur auf der Reichsstrasse bot er ihn vergeblich zum Kaufe um 40 [Zeichen für Taler] an. Glücklicher war er bei einer Frau B. auf der Halle'schen Straße, welche ihm versprach, den Pelz für nächsten Morgen beim Leihhause zu verpfänden, da es an jenem Abende bereits zu spät sei, ihm auch auf sein Verlangen abschlägig 10 Thlr. aushändigte.
Am anderen Morgen gelang es der Polizeibehörde zwar, sich in den Besitz des Pelzes zu setzen, May'en konnte man indessen erst sechs Tage später festhalten, als er durch einen Packträger versuchte, den Rest des Pfandschillings zu erlangen. Der Betrüger wurde, wie s.Z. berichtet wurde, im Rosenthale mit Hilfe des gedachten Packträgers festgehalten. ("Leipziger Tageblatt und Anzeiger", No. 161, 10. Juni 1865)

Folgen[Bearbeiten]

Karl May wurde nach seiner Festnahme in das alte Polizeiamt in der Reichsstraße gebracht (jetzt steht dort ein Neubau).

Für einige solcher Hochstapeleien verurteilte ihn das Leipziger Bezirksgericht im Juni 1865 zu vier Jahren und einem Monat Arbeitshausstrafe.

Der Prozess fand im alten Justizgebäude (Peterssteinweg Ecke Beethovenstraße) statt, das inzwischen allerdings abgerissen wurde. Sein Verteidiger war G. Simon.

May verließ Leipzig dann gen Zwickau resp. Schloss Osterstein über den Bayrischen Bahnhof.

detaillierter Ablauf[Bearbeiten]

28.02.1865 Gohlis May trifft - vermutlich aus Naußlitz kommend - in Gohlis (bei Leipzig) ein.[2] [3]

Er zieht im Hause von Ernst Wilhelm Damm, Möckernsche Straße 28 b, ein. May gibt seinen Namen als Noten- und Formenstecher Hermin an. Im März zieht er innerhalb des Hauses in die Wohnung von ehemals Herrn Schale (Stahlstecher) im ersten Stock um. Dort ist er bis zur Festnahme wohnhaft.[4] [5] [6] [7]

01.03.1865 bis 19.03.1865 Gohlis

  • Aufenthalt in Gohlis. Laut Vernehmungsprotokoll.[8]

20.03.1865 [Gohlis >] Leipzig [> Gohlis]

  • Aufenthalt in Gohlis. Laut Vernehmungsprotokoll.[9]
Anzeige von Frau Hennig
  • Aufgrund einer Annonce im Leipziger Tageblatt ("Eine gut ausmeublirte Stube nebst Alkoven ist an einen anständigen Herrn sofort zu vermiethen") mietet May eine Wohnung der Essigfabrikantenwitwe Hennig im Thomaskirchhof 12 ebenfalls als Noten- und Formenstecher Hermin. Gepäck hat er keins bei sich.[10] [11]
  • Anzeige von Hermann Hennig, dem Sohn der Witwe Hennig, und Otto Erler, dem Sohn des Kürschnermeisters, im Kgl. Polizeiamt Leipzig. Der zuständige Polizeibeamte, Kommissar Gustav Theodor Kneschke, benachrichtig die innerstädtigen Pfandleihen.[19] [20] [21]
  • May, der sich Herr Friedrich nennt, übergibt nach 17 Uhr den Pelz Frau Bayer, die ihn für ihn verpfänden soll.[22]

21.03.1865 Gohlis

  • Aufenthalt in Gohlis. Laut Vernehmungsprotokoll.[23]
  • Das Leihhaus erkennt den als gestohlen gemeldeten Pelz und benachrichtigt die Polizei. Erler identifiziert sein Eigentum und Frau Bayer wird vernommen.[24]
  • Anzeige von Frau Beyer und Herrn Erler im Kgl. Polizeiamt Leipzig.[25]
  • Karl May, der das Leihhaus vermutlich beobachtet hat, nimmt vorerst keinen Kontakt zu Frau Bayer auf.

22.03.1865 bis 25.03.1865 Gohlis

  • Aufenthalt in Gohlis. Laut Vernehmungsprotokoll.[26]

26.03.1865 Gohlis > Rosenthal

Das Rosenthal in Leipzig
  • Karl May hat einen Packträger namens Carl Heinrich Müller beauftragt, Frau Bayer nach dem Pfandgeld zu fragen. Er verabredet ein Treffen mit ihm im Rosenthal.[27] [28]
  • Frau Bayer informiert die Polizei und schickt ihren Mann mit dem Packträger zu der Verabredung im Rosenthal.[29]

27.03.1865

  • Gegenüberstellung (mit Hermann Hennig und Friederike Erler, der Ehefrau) und Vernehmung auf dem Polizeiamt Leizig.[39] [40] [41]
  • Anzeige des früheren Logiswirtes Damm. Diebstahl von 2 Stück Shirting 6/4 Ellen breit und je 6-8 Ellen lang.[42]
  • Überstellung an das Königliche Bezirksgericht.[43]

08.06.1865 Leipzig

Sein Verteidiger war G. Simon. 09.06.1865 bis 13.06.1865 Leipzig

  • Untersuchungshaft in Leipzig.

10.06.1865 Leipzig

  • Bericht im "Leipziger Tageblatt und Anzeiger" über Mays Verurteilung (s.o.).[49]

14.06.1865 Leipzig > Zwickau

  • Überführung von Leipzig nach Zwickau in die Strafanstalt Schloß Osterstein. Gefangener Nr. 171.[50] [51] [52] [53] [54]

Sonstiges[Bearbeiten]

Der "Sack" am Thomaskirchhof

In der Sekundärliteratur wurde stets das Gebäude der Central-Apotheke für das Gebäude Thomaskirchhof 12 gehalten. Das ist inzwischen widerlegt, denn 1888 erfolgte eine Umnummerierung. Die Adresse Thomaskirchhof 12 lag ursprünglich im sogenannten "Sack" und hat heute die Hausnummer 7. Das Haus der Apotheke hatte damals die Adresse Thomaskirchhof 6.[55]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Meine Beichte. In: Rudolf Lebius: Die Zeugen Karl May und Klara May. Ein Beitrag zur Kriminalgeschichte unserer Zeit. Berlin 1910, S. 4
  2. JbKMG 1972/73, S. 200, 204.
  3. Heermann: Winnetous Blutsbruder, S. 91 ff.
  4. Egon Erwin Kisch: Hetzjagd durch die Zeit, Aufbau Taschenbuch Verlag, Nummer 5055, 1. Auflage 1994, S. 75–77.
  5. JbKMG 1972/73, S. 204.
  6. JbKMG 1975, S. 261.
  7. M-KMG 70, S. 34.
  8. JbKMG 1972/73, S. 200, 204.
  9. JbKMG 1972/73, S. 200, 204.
  10. JbKMG 1972/73, S. 204.
  11. M-KMG 71, S. 34.
  12. Sic! Hermes: griechischer Gott der Diebe und der Kaufleute – die Hermes/Merkur-Statue am Brühl stand zu Mays Zeiten allerdings noch nicht dort.
  13. JbKMG 1971, S. 112.
  14. JbKMG 1978, S. 13.
  15. M-KMG 105, S. 40.
  16. SoKMG 32, S. 15.
  17. SoKMG 109, S. 12.
  18. SoKMG 112, S. 27.
  19. Kisch: Hetzjagd durch die Zeit, S. 73/74.
  20. M-KMG 70, S. 34.
  21. Dieter Sudhoff/Hans-Dieter Steinmetz, Karl-May-Chronik I, S. 128.
  22. Sudhoff/Steinmetz, Karl-May-Chronik I, S. 129.
  23. JbKMG 1972/73, S. 200, 204.
  24. Sudhoff/Steinmetz, Karl-May-Chronik I, S. 129.
  25. Kisch: Hetzjagd durch die Zeit, S. 74/75.
  26. JbKMG 1972/73, S. 200, 204.
  27. Sudhoff/Steinmetz, Karl-May-Chronik I, S. 130.
  28. JbKMG 1972/73, S. 200, 204.
  29. Sudhoff/Steinmetz, Karl-May-Chronik I, S. 130.
  30. JbKMG 1971, S. 154.
  31. JbKMG 1972/73, S. 198, 204, 208.
  32. JbKMG 1975, S. 173.
  33. SoKMG 2, S. 8.
  34. SoKMG 105, S. 12.
  35. SoKMG 112, S. 4.
  36. SoKMG 116, S. 34.
  37. SoKMG 118, S. 6, 17.
  38. JbKMG 1971, S. 152, 157.
  39. JbKMG 1971, S. 158.
  40. JbKMG 1972/73, S. 201.
  41. JbKMG 1972/73, S. 204.
  42. SoKMG 118, S. 23.
  43. JbKMG 1972/73, S. 204.
  44. JbKMG 1971, S. 112/113, 150, 152, 157, 160.
  45. JbKMG 1972/73, S. 209, 210.
  46. JbKMG 1975, S. 127.
  47. JbKMG 1975, S. 262.
  48. JbKMG 1978, S. 13.
  49. JbKMG 1971, S. 150, 162 (Fn. 35).
  50. JbKMG 1975, S. 128, 146.
  51. JbKMG 1978, S. 13.
  52. M-KMG 9, S. 14.
  53. M-KMG 14, S. 29.
  54. SoKMG 24, S. 15.
  55. Florstedt: Neues vom Thomaskirchhof, S. 61–65.

Literatur[Bearbeiten]