5%-Legende
Als Karl May erfuhr, dass die Witwe Münchmeyers den Verlag samt den Rechten an seinen fünf Romanen verkauft hatte, gab er sich die allergrößte Mühe, eine Wiederveröffentlichung unter Brechung seines Pseudonyms zu verhindern. Trotzdem veröffentlichte der neue Verleger Adalbert Fischer ab 1901 erneut die Kolportageromane Karl Mays, die dieser zwischen 1882 und 1888 für den Verlag Münchmeyer geschrieben hatte. Dieser Vorgang löste eine Vielzahl von Verfahren aus.
Der erste juristische Schwerpunkt dieses Komplexes war die Klärung seiner Rechtsposition gegenüber Fischer. So vertrat Karl May den Rechtsstandpunkt, dass eine Wiederveröffentlichung der Romane gegen sein Urheber- und das daraus resultierende Verwertungsrecht verstoße. Es habe einen mündlichen Kontrakt mit H. G. Münchmeyer gegeben, der eine Rückgabe dieser Rechte nach der Erstveröffentlichung in den 1880er Jahren vorgesehen hätte. Der Weiterverkauf des Verlages einschließlich der Rechte an den Kolportageromanen Mays an Adalbert Fischer verstieß seiner Auffassung nach gegen diese Vereinbarung. Es kam zu zwei Zivilverfahren 1901 und 1907 vor dem Königlichen Landgericht Dresden wegen unbefugten Nachdrucks der Romane. Zwischenzeitlich hatten beide Parteien im Februar 1903 einen Vergleich geschlossen, der Fischer unter bestimmten Voraussetzungen den Weitervertrieb der Romane gestattete.
Nachdem sich der Verleger jedoch in der Folgezeit nicht an die Abmachung gehalten hatte, war es zu einer Anfechtung des Vergleiches durch May wie auch zu einer erneuten Unterlassungsklage gekommen. Das zweite Verfahren endete erst am 8. Oktober 1907 mit der Vereinbarung, dass die Fischer-Erben (Adalbert Fischer war am 7. April 1907 verstorben) Mays Kolportageromane anonym drucken und vertreiben durften.
Als Karl May den teuren Prozess letztlich 1907 gewann, war es bereits zu spät: Die Romane waren erschienen und Karl May räumte unter Vorbehalt (sic!) seine Autorenschaft ein. Die von der Presse inkriminierten "unzüchtigen" Stellen wären vom damaligen Verleger und dessen Mitarbeitern eingefügt worden. Aus Zeitmangel habe er damals nicht Korrektur lesen können. Da die Manuskripte in der Verlagspraxis nach dem Satz vernichtet wurden, konnte er diese Behauptung aber nicht beweisen.
Der Anwalt der Münchmeyer-Partei, Dr. Oskar Gerlach, erklärte Ende September 1909:
- "Änderungen von irgend welcher Bedeutung – das soll heißen quantitativ mehr als fünf vom Hundert des jeweiligen Ganzen und qualitativ etwa in sittlicher Hinsicht minderwertig gegenüber dem Original – werden bestritten."
Was genau er damit meinte, ist nicht ganz erklärbar. Spätere Präzisierungen sorgen eher für zusätzliche Verwirrung. Aber die 5%-Legende war geboren.
Christian Heermann schreibt dazu in seiner Karl-May-Biografie Winnetous Blutsbruder:
- Bei einem anderen Gerichtstermin wurden solche Bearbeitungen auf fünf Prozent beziffert - eine nicht beweisbare Zahl, die überdies für die an den Haaren herbeigezogene moralische Bewertung ohne Belang ist.[1]
Anmerkungen[Bearbeiten]
- ↑ Christian Heermann: Winnetous Blutsbruder, Karl-May-Biografie. Karl-May-Verlag, Bamberg-Radebeul 2002, ISBN 3-7802-0161-5, S. 464.
Literatur[Bearbeiten]
- Beitrag von Ralf Harder.
- Rolf-Bernhard Essig/Gudrun Schury: Karl May ABC. Reclam-Verlag, Leipzig 1999, Kapitel "Kiss-y-Darr", S. 108, ISBN 3-379-01671-3.
- Jürgen Seul: Karl May und die Justiz. Vorläufige Bemerkungen zum Stand der juristischen Karl-May-Forschung. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 2002.
- Dieter Sudhoff/Hans-Dieter Steinmetz: Karl-May-Chronik II bis V. Sonderbände zu den Gesammelten Werken. Karl-May-Verlag Bamberg–Radebeul 2005/2006. ISBN 978-3-7802-0170-6
- Jürgen Seul: Old Shatterhand vor Gericht. Die 100 Prozesse des Schriftstellers Karl May. Karl-May-Verlag Bamberg-Radebeul 2009. ISBN 978-3-7802-0186-7.