In Warschau sind die Leute edel (Gedicht)
In Warschau sind die Leute edel ist ein Gedicht von Karl May.
Text[Bearbeiten]
- In Warschau sind die Leute edel,
- Am alleredelsten Herr Wedel,
- Dieweil er ließ mit Haut und Haaren
- Frau Julie her nach Dresden fahren,
- Um sich bei Bilz zu restauriren
- Und die Gesundheit renovieren.
- Das hat ihr von dem edlen Mann
- und auch bei Bilz sehr wohlgethan.
- Drum sind wir alle ganz entzückt,
- Daß sie uns einen Brief jetzt schickt,
- in dem sie schreibt, daß sie bald wieder
- Sich läßt als Gast hier bei uns nieder.
- Nun ist der Jubel riesengroß;
- Ganz Radebeul, das scheuert blos,
- Für Frau Vitali sich zu schmücken
- und sie ans saubre Herz zu drücken;
- Sogar die Straßen will man spritzen,
- Damit sie sich nicht thut erhitzen,
- Und in dem Hause, dem bekannten,
- Da windet man schon die Guirlanden,
- Um sie ihr nach der Bahn zu bringen
- Und um sie 'rum und 'num zu schlingen.
- Doch hoffen wir allhier in Sachsen,
- Es sind doch etwa nicht blos Faxen,
- Denn das wär wirklich von Herrn Wedel
- Und von Frau Wedel gar nicht edel.
- Wir würden uns gewaltig grämen,
- Wenn Julie und ihr Zug nicht kämen
- Und hoffen darum ganz bestimmt,
- Daß sie die Sache ernstlich nimmt
- Und sich bei Tage oder Nacht
- Sofort gleich auf die Socken macht,
- Denn wenn man auf den Gast sich freut,
- Hat man zum Warten keine Zeit.
- Drumm komme Freundin, komme bald,
- Sonst wird bei uns der Kaffee kalt,
- Und bleib auch auf der Reise treu
- Herrn und Frau Doctor Emma May.[1]
Textgeschichte[Bearbeiten]
Nachdem Karl Mays erste Frau Emma einen Monat lang an einer schweren Erkältung gelitten hatte, erhielt sie im September 1896 eine vierwöchige Kur in Friedrich Eduard Bilz' Naturheilanstalt "Schloss Lößnitz" in Oberlößnitz (heute zu Radebeul). Dort lernte sie die hochgebildete Russin Julie Vitali kennen. In der folgenden Zeit besuchte Frau Vitali in Begleitung ihrer Tochter "Lieschen" die Mays in der Villa "Shatterhand" einige Male mehrere Wochen lang.[2]
Am 17. August 1897 schrieb Karl May auf Seidenpapier an Julie Vitali das obige Gedicht, mit dem er sie zu sich einlud. In der Karl-May-Chronik II schrieben Dieter Sudhoff und Hans-Dieter Steinmetz dazu:
- Die Beziehung Julie Vitalis zur Familie Wedel [...] ist ebenso unklar wie die zu einer Frau Krusche. Gruppenfotos dokumentieren einen Besuch der Warschauerinnen Frau Wedel und Frau Krusche (mit Schwester und Tochter) in Radebeul [...][3]
Zu Karl Mays Lebzeiten wurde dieses Poem nicht veröffentlicht.
Anmerkungen[Bearbeiten]
- ↑ Dieter Sudhoff/Hans-Dieter Steinmetz: Karl-May-Chronik II. Sonderband zu den Gesammelten Werken. Karl-May-Verlag Bamberg–Radebeul 2005, S. 79. ISBN 978-3-7802-0170-6.
- ↑ Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik I, S. 535.
- ↑ Sudhoff/Steinmetz: Karl-May-Chronik II, S. 78 f.