Kriegergestalten und Todesgewalten

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Kriegergestalten und Todesgewalten ist der Titel einer Serie von 24 Kohlezeichnungen von Sascha Schneider.

Zeichnungen

Die Titel der einzelnen Blätter sind:
1. Kriegsgespenst – 2. Kriegsruf – 3. Begeisterung – 4. Krieger – 5. Chaos – 6. Todesgedanken – 7. Waffenprobe – 8. Trennung –
9. Die Fahne – 10. Ansturm – 11. Kriegsfurie – 12. Niederlage – 13. Kämpfer – 14. Das Unerbittliche – 15. Ohnmacht – 16. Ringen –
17. Schwertertanz – 18. Getötet – 19. Gegen Übermacht – 20. Held – 21. Der Tod – 22. Trauer – 23. Sieger – 24. Frieden

Geschichte

Schon Ende 1914 war Sascha Schneider mit der Anfertigung dieser Zeichnungen beschäftigt, wie in einer Postkarte an Euchar Albrecht Schmid vom 6. Dezember zum Ausdruck kommt:

Ich schrieb eben Prof. S[chaub]; dass ich ihm eine Extrazeichnung angesichts der drängenden Zeit (ich habe jetzt die Kriegsblätter vor) nur schwer werde anfertigen können [...][1]

Im Sommer 1915 war Schneider mit der Vollendung des Zyklus beschäftigt, wie aus seinem auf den 9. August datierten Brief an Karl Mays Witwe Klara May hervorgeht:

[...] ich weiss nicht wo die Zeit herkriegen, um die Arbeiten fertig zu kriegen.[2][3]

Bald darauf erschien dann im gleichen Jahr im Verlag Breitkopf & Härtel Leipzig und Berlin die Mappe mit dem Titel Kriegergestalten und Todesgewalten von Alexander (Sascha) Schneider. Die Einführung dazu hatte der Kunsthistoriker Ludwig Volkmann (* 1870; † 1947) verfasst.[4]

Einige der 24 darin enthaltenen Bilder erschienen auch als Einzelblätter in der Reihe Zeitgenössische Kunstblätter im gleichen Verlag.[5]

Im Oktober/November 1915 wurde die Originale sowie fünf lebensgroße Kriegergestalten (in Tempera bzw. in Öl) in der Galerie Ernst Arnold in Dresden ausgestellt.[6] Dazu lud Sascha Schneider Klara May am 28. Oktober brieflich ein:

Sehen Sie sich doch bitte meine Ausstellung bei Arnold in der Schlosstrasse an. Das wird vieles sagen. Ich habe in einem Jahr 24 Blatt gezeichnet, 6 grosse Kerle gemalt und ein Grabdenkmal ausgehauen.
Das ist schon ein wenig viel.[7]

Ebenfalls im Oktober fand eine Lichtbildvorführung der Motive in der Gutenberghalle des Leipziger Buchgewerbehauses statt. Begleitet wurde die Vorstellung durch die Rezitation dafür geschriebener Verse von F. A. Geissler, Dresden, und durch die Aufführung von Kompositionen Richard Wagners.[8]

Am 5. Januar 1916 wurde eine Ausstellung von Kriegergestalten und Todesgewalten im Künstlerhaus in Berlin, Bellevuestraße 3, eröffnet. Im Vorfeld schrieb Sascha Schneider am 23. Dezember 1915 in einem Brief an Klara May:

[...] die verfluchte (beg your pardon![9]) Ausstellung in Berlin, die am 1ten Januar losgeht und hundert Vorbereitungen braucht, wirft ihre Schatten schon voraus. Bis dahin muss noch allerhand fertig werden, and I am hurrying to and fro between city and here. Business be damned![10] Und nun hören Sie das Allerschlimmste, ich muss zur Eröffnung der Ausstellung in Berlin sein und mindestens 14 Tage durch Anwesenheit in Berlin (sprich Béalihn) glänzen, ansonsten geht das mühsam aufgebaute Werk schief, denn ich habe mehr als einen Feind dort. Besuche und Besprechungen werden die Zeit aufs allerlieblichste ausfüllen; ich kann schon jetzt nicht den Augenblick erwarten, wo ich mit einem dumpfen Fluche jenen Ausschank verlasse.[11]

Im Zweiten Weltkrieg wurden die bei Breitkopf & Härtel gelagerten Originale des Zyklus bei den Bombenangriffen auf Leipzig zerstört. 19 von Schneider selbst beschriftete Entwürfe im Format 29 x 40 cm befinden sich heute im Karl-May-Verlag in Bamberg.[12]

Kritiken

Die frühste bekannte Kritik der Kriegergestalten und Todesgewalten findet sich in der Schneider-Monographie von Dr. phil. Felix Zimmermann (* 1874; † 1946):

[...] in den besten dieser Blätter – nicht in allen – ist erreicht, was allein symbolische Kunst rechtfertigt: Ideenverkörperung [...] Als Griffelkünstler und Symboliker, der er von Natur aus ist, konnte Sascha Schneider das Kriegsthema nicht anders als zeitlos, von aller historischen Realität entkleidet, überpersönlich und eigentlich sogar parteilos gestalten. Er sieht nur das Menschliche in der Tragödie des Krieges. Es stammt aus adliger Gesinnung, die aber keine Tendenz kennt. [...] Es gehörte eine außerordentliche Zucht des Geistes und der Phantasie dazu, die Ereignisse der Wirklichkeit und die Kriegerpsychose schon mitten im Werden der Dinge zu solch großen Symbolen zu ballen und aus dem Zeitlichen ins Ewige zu heben. In dieser Weise steht das Werk in der "Kriegskunst" so gut wie allein da.[13]
Deckelbild Winnetou III

Hansotto Hatzig betrachtet in seinem Beitrag zur Karl-May-Forschung vor allem zwei Blätter der Serie näher:

Schneider hat in diesen Blättern nahezu alle menschlichen Empfindungen heraufbeschworen, die der Krieg auslöst; seine Ausdrucksskala zeigt auf der einen Seite den "Helden", dessen unkonventionelle, verklärende Pose an den "sterbenden Winnetou" erinnert, auf der anderen Seite die "Fahne", die von Tucholsky gedichtet sein könnte [...] Der Träger der Fahne nämlich hat keinen Kopf, zumindest ist sein Kopf nicht zu sehen, da dieser mit der Fahne zu einem einzigen Schatten zusammenfließt: die Fahne stellt gewissermaßen den Kopf dar, ja, sie ersetzt ihn.[14]

Rolf Günther vergleicht Schneiders Kriegergestalten und Todesgewalten mit den Kriegsbildern von Otto Dix:

Im Gegensatz zu Otto Dix [...] bricht Schneider die Form des Phänomens "Krieg" auf und analysiert die einzelnen inhaltlichen Sequenzen. [...] Beachtlich als eine Form des Auseinandersetzung mit dem Krieg, zumal zu einem solch frühen Zeitpunkt, als alles noch in jubelnder Aufbruchsstimmung begriffen war, sind diese [...] Zeichnungen allemal. [...] So gelingen ihm in einigen Blättern des Zyklus [...] interessante Verallgemeinerungen von Befindlichkeiten in einer extrem dichten Symbolsprache.[15]

Hans-Gerd Röder äußert sich in seinem Buch Sascha Schneider – ein Maler für Karl May über die Zeichnungen:

Diese zeigen Krieger zwar in einer der Realität des Krieges kaum entsprechenden Weise, überlagert aber wird die Gestalt von Visionen des Chaos, des Todes, der Trauer und des unstillbaren Leides. Sascha Schneider war ein kritischer Betrachter des Krieges. Diese Blätter stehen ihrem Rang nach neben Arbeiten Klingers, Kubins und Redons.[16]

Annelotte Range schreibt in ihrer Dissertation über Sascha Schneider zu den Blättern Kriegergestalten und Todesgewalten:

In der Mehrzahl verkörpern sie Begriffe, Gesichte, Empfindungen, Gefühle, deren Träger meist einzelne, männliche und als Akt gegebene Gestalt ist. Es ist nach Schneiders Aussage eine Rückkehr zu den Anfängen [...][17]

Anmerkungen

  1. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 319.
  2. Gemeint ist der Zyklus "Kriegergestalten und Todesgewalten".
  3. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 321; dort auch die vorige Anmerkung.
  4. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 204, Anm. 11.
  5. Range: Zwischen Max Klinger und Karl May, S. 135.
  6. Range: Zwischen Max Klinger und Karl May, S. 136.
  7. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 322.
  8. Range: Zwischen Max Klinger und Karl May, S. 136.
  9. Englisch: Bitte um Verzeihung!
  10. Englisch: und ich eile hin und her zwischen der Stadt und hier. Verdammtes Geschäftemachen!
  11. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 324 f.
  12. Range: Zwischen Max Klinger und Karl May, S. 135, Anm. 436.
  13. Felix Zimmermann: Sascha Schneider. Kunstgabe 5. Verlag Die Schönheit Dresden o. J. [1924], S. 33 f. Zitiert nach: Hatzig: Karl May und Sascha Schneider, S. 185 f.
  14. Hatzig: Karl May und Sascha Schneider, S. 186.
  15. Günther/Hoffmann: Sascha Schneider und Karl May, S. 20.
  16. Röder: Sascha Schneider, S. 32.
  17. Range: Zwischen Max Klinger und Karl May, S. 135.

Literatur