Das Gefühl der Abhängigkeit

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Das Gefühl der Abhängigkeit ist ein berühmtes Bild von Sascha Schneider.

Geschichte[Bearbeiten]

Zeichnung Das Gefühl der Abhängigkeit (1893)

Das Gefühl der Abhängigkeit war zu Schneiders Lebzeiten wohl das bekannteste Bild des Künstlers überhaupt. Die Zeichnung mit diesem Titel entstand 1893 in unbekannten Maßen. 1894 schuf Schneider eine Version mit Kohle, Blei und Kreide auf Karton in den Maßen 40 x 61 cm.

Nach Aussagen von Schneiders Schwester Lilly hängt das Bild mit Kindheitserinnerungen an ein russisches Märchenbuch zusammen. In diesem kommt ein aus der Erde wachsender Ritter vor, dessen riesiger Kopf einen Reiter anspricht.[1]

1894 präsentierte Sascha Schneider Das Gefühl der Abhängigkeit – zusammen mit zehn anderen Kartons – in seiner ersten, erfolgreichen Einzelausstellung im Kunstsalon Lichtenberg in Dresden. Besonderen Eindruck auf das Publikum hinterließ neben Eins ist not und Um eine Seele eben dieses Bild, das auch in der Illustrierten Zeitung vom 7. Mai 1896 abgebildet wurde.

1896 erschien bei J. J. Weber, Leipzig, eine Mappe mit 17 Holzstichen Schneiders nach Originalkartons (in der Reihe Meisterwerke der Holzschneidekunst), unter denen sich auch dieses Bild befand. 1897 erschienen zwei weitere Auflagen der Mappe.

Nach Euchar Albrecht Schmid soll ein Druck des Bildes in den neunziger Jahren in Schwarz-weiß beim Verlag Breitkopf & Härtel, Leipzig, erschienen sein.[2]

Die ursprüngliche Zeichnung von 1893 gilt heute als verschollen. Eine zweite Fassung von 1894 war für Herrn von Seidlitz in Dresden bestimmt und befand sich 1967 in Besitz von Rut Lieberknecht in Kiel.[3]

Eine farbige Version gestaltete Schneider 1919/20 als Ölgemälde in den Maßen 64,5 x 100,5 cm. Diese war eigentlich für den Schaupieler und Stummfilm-Darsteller Gunnar Tolnaes (* 1879; † 1940; Schneider schreibt Tollnaes) bestimmt. In einem Brief an Klara May äußerte sich der Maler am 12. Dezember 1919:

Sie fragten doch wegen eines Gemäldes für Gunnar T.: Das Gefühl der Abhängigkeit. Well![4]

Ebenso am 16. Dezember:

Wenn ich irgend kann, so sehe ich mir den Tollnaes Film an[5]; es ist jetzt nur so scheusslich viel, gerade in Abendzeit zu tun. Des Abhängigkeit Bildes werde ich mich also gleich nach Weihnachten annehmen und sage Ihnen dann sofort wie lange es dauert; jedenfalls nicht lange, [...][6]

Desgleichen am 24. Dezember:

Über "Das Gefühl d. Abh." hoffe ich Ihnen am Sonntag[7] Näheres zu sagen. Es wird alles davon "abhängen" (Das Gefühl d. Abhängigkeit) wie weit mir der Buchbinder, der den Malgrund herzustellen hat, entgegenkommt.
Ich garantiere Ihnen aber, dass die Sache nicht auf die lange Bank geschoben wird.[8]

In einem Brief an Kuno von Hardenberg äußerte Sascha Schneider am 26. Januar 1920 die Bitte, beim Zahnarzt Falk anzufragen, ob er an Stelle eines Honorars ein Bild, sagen wir das "Gefühl der Abhängigkeit" in Öl annehmen würde.[9]

Ölgemälde Das Gefühl der Abhängigkeit (1920)

Am 7. Februar schrieb Sascha Schneider an Klara May:

Das Bild für Tollnaes ist auch so weit, muss nun aber erst trocknen.[10]

Der nächste seiner Briefe an sie ist vom 15. Februar. Schneider hatte sich inzwischen entschlossen, das Bild Klara May zu überlassen. In dem Brief heißt es:

How do you do?[11] Ich hoffe es ist alles wieder soweit!
Das Bild ist es ebenfalls; ich freue mich, dass ich mit Mitte Februar Wort halten konnte – trotz allem. Wenn es Ihnen recht ist, so bringe ich es Ihnen nächsten Freitag, d. 20ten, persönlich hinaus, gleich nach dem Essen, werde also etwa 3 Uhr bei Ihnen eintreffen.[12]

Eine weitere Bemerkung zu dem Bild findet sich in Sascha Schneiders Brief an Klara May vom 27. Februar:

Und wollen Sie noch den "Aussergewöhnlichen" haben? Ich würde es Ihnen als Pendant zum "Gef. d. Abh." malen? Für dasselbe Geld. Da es kein "business" ist, brauchen Sie sich nur zu äussern, auch "Nee". Just as you like![13][14]

Am 16. Mai schrieb Schneider an Frau May:

Fackelträger und Abhängigkeit kommen am Dienstag[15] zu Römmler & Jonas.[16][17]

Weiterhin äußerte sich der Maler in seinem Brief an Klara May vom 11. Juli zu dem Bild:

Aber darüber dann am Mittwoch, bei einer Tasse Kafé mündlich. [...] über die Reproduction des Gef[üh]l[s] d[er] Abhäng[igkeit] und des Fackelträgers ebendort.[18]

Am 8. April 1922 schrieb Schneider an Klara May über ihr Gemälde, das offenbar reparaturbedürftig war:

Ihr "Gef. d. Abh." geben Sie mir mal her, damit will ich gelegentlich ein ernstes Wort reden.[19]

Auch am 27. Dezember ist in einem Brief Sascha Schneiders an Frau May von einer (dieser?) Reparatur die Rede:

Anfang Februar aber heize ich den grossen Raum, dann langen gerade noch die Kohlen bis Frühjahr – und dann beginnt erst die richtige Arbeit. Ganz zuerst soll dann Ihre "Abhängigkeit" drankommen, die in diesem Loch nicht zu machen ist.[20]

Innerhalb dieses Briefwechsels wird das Bild ein letztes Mal am 19. Januar 1923 von Schneider erwähnt:

Bitte lassen Sie doch einen Keilrahmen machen, der genau in ihren Goldrahmen hineinpasst, und senden Sie mir diesen Keilrahmen (auf meine Rechnung) zu, oder geben Sie ihn bei Kraft-Kunst ab; ich fange dann das "Gefühl der Abh." sofort an und wenn ich platze, aber Sie dürfen nicht im Stiche gelassen werden.[21]
Der Gedanke an das Unendliche und Das Gefühl der Abhängigkeit in der Villa "Shatterhand"

Das Ölgemälde kam nach Klara Mays Tod in den Besitz des Karl-May-Verlags (KMV). 1960 siedelte es mit ihm nach Bamberg um und kehrte 1994 nach Radebeul zurück. Heute ist es Eigentum der Karl-May-Stiftung und im Empfangssalon der Villa "Shatterhand" zu sehen.

Neben dem eben besprochenen Bild muss es mindestens noch ein weiteres Schneider-Gemälde Das Gefühl der Abhängigkeit geben. Sascha Schneider schrieb davon am 5. Dezember 1921 in einem Brief an Klara May:

Das Gefühl der Abhängigkeit, das Sie hier sahen, habe ich nach Berlin für M. 40000 unter der Bedingung verkauft, dass ich es nochmal für mich male.[22][23]

Dazu schreibt Annelotte Range unter Berufung auf Hans-Gerd Röder:

Ein Gemälde des Titels (250.5 x 165.8, sign[iert] mit Initialen) ist im Versteigerungskat[alog] (German and Austrian Art, Part II, 20. 5. 1993) von Christies, London, aufgeführt worden.[24]

Kritiken[Bearbeiten]

Euchar Albrecht Schmid äußert sich 1928 in seinem Aufsatz Dem Andenken Sascha Schneiders über das Bild:

Auch sonst sammelten sich in der Villa Shatterhand viele Andenken und Erinnerungen an Schneiders Kunst, darunter solche, die nicht unmittelbare Beziehung zu Karl Mays Anregungen aufweisen, insbesondere mehrere Ölgemälde. Eines davon möchte man an die Spitze von allem stellen, was dieser Künstler je in Erinnerung an seinen toten Freund Karl May schuf, vielleicht das gewaltigste Gemälde von allen, das in eindrucksvoller Weise der Qual Ausdruck verleiht, der Sascha Schneiders Freund bis zum letzten Tag seines Lebens ausgeliefert war. "Das Gefühl der Abhängigkeit", das [...] sowohl durch Kopien wie auch durch parodistische Nachahmungen seinen Siegeszug durch die Kunstpresse nahm, ist jenes Bild, das Sascha Schneider und Karl May zusammenführte. Was der Künstler bei der Ausführung des gewaltigen Bildes dachte, empfand und ausdrücken wollte, war für Mays Schicksal geradezu symbolisch. Auf eine Bitte von Karl Mays Witwe hat Sascha Schneider nunmehr das herrliche Werk farbig für die Villa Shatterhand gemalt und für Kunstkritiker wird der Vergleich dieser Schöpfung des jetzt 50jährigen Künstlers mit der früheren Schwarzweiß-Zeichnung des 23jährigen ein Ereignis sein. Als das Gemälde in der Villa Shatterhand aufgestellt wurde, erklärte uns Sascha Schneider, daß sein "Licht-Sieg", den er im Jahre 1905 [...] zeichnete, gleichsam das "umgekehrte Gefühl der Abhängigkeit" sei [...][25]

In seiner Monographie über May und Schneider schreibt Hansotto Hatzig 1967:

Das "Gefühl der Abhängigkeit" steht am Anfang von Schneiders Gedankenmalerei (Karton 1893). Der Befreiung davon, dem Weg "Empor zum Licht", galt sein ganzes Symbolschaffen, ja, sein Schaffen überhaupt. "Lichtsieg" war das erträumte Ziel, das er 1904 (May-Zyklus, Band 12/13) darstellte und mit seiner "klassizistischen Periode" (Weimar–Florenz 1906-13) endlich erreicht zu haben glaubte. Nach einem Menschenalter, im Jahre 1921, kehrte er zu seinen alten Motiven zurück. Für Klara May schuf er das "Gefühl der Abhängigkeit" als Ölbild.[26][27]

Annelotte Range schreibt in ihrer Dissertation (1996) zum Bild Das Gefühl der Abhängigkeit folgendes:

Die Aktfigur, beinahe ein Zitat des "Anarchist", wird hier zum Opfer. Verzagt ist der Kopf gesenkt, hängen die von Ketten beschwerten Arme herab. Dem jungen Mann droht ein in starker Verkürzung gegebenes, ihm bäuchlings gegenüber liegendes schwarzes Ungeheuer, das sich wie ein Berg über der Ebene erhebt. Gewaltige, im Rund ausgestreckte Arme kesseln ihn ein, und es warten die übergroßen Hände des schwarzen Monsters nur auf den Befehl der tückisch lauernden Augen, die Beute zu ergreifen, die resigniert hat und keine Anzeichen einer Auflehnung erkennen läßt.
Diese Erfindung, die wohl die bekannteste überhaupt wurde, scheint aus den alptraumhaften Visionen hervorgegangen, die den Künstler beherrschten. [...]

Die Autorin nennt des weiteren mehrere im Motiv verwandte Bilder: Hokusais Die ermordete Kasané erscheint ihrem Gatten (1819), Redons Der Zyklop (um 1900) sowie Kubins Gefahr und Die Stunde der Geburt (beide 1901).

Sonstiges[Bearbeiten]

Eine Parodie auf Das Gefühl der Abhängigkeit

Kein Werk Sascha Schneiders ist so häufig parodiert worden wie Das Gefühl der Abhängigkeit. Als eines von vielen Beispielen sei hier ein Ausschnitt aus dem Bild Porträtgalerie moderner Meister – Wie sie sich das Publikum nach ihren Werken vorstellt (in: Lustige Blätter, 18. Jg. 1903, Nr. 25) aufgeführt, welches die Initialen WJW trägt; der Maler ist unbekannt. Das Bild zeigt ein Porträt Schneiders anstelle des Jünglings, von vorn gesehen und mit einem Rock voller Augen wie der Engel auf Schneiders Ein Wiedersehen bekleidet.

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Nach Range: Zwischen Max Klinger und Karl May, S. 32.
  2. Zitiert nach Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, Anm. 4, S. 372.
  3. Nach Hatzig: Karl May und Sascha Schneider, S. 210.
  4. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 365.
  5. "Die Lieblingsfrau des Maharadscha", Teil II; Regie: Max Mack, mit Gunnar Tolnaes als Hauptdarsteller; Uraufführung am 27. 10. 1919.
  6. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 366.
  7. Also am 28. Dezember 1919.
  8. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 367.
  9. Nach Range: Zwischen Max Klinger und Karl May, Anm. 117, S. 34.
  10. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 372.
  11. Wie geht es Ihnen?
  12. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 372 f.
  13. Etwa: Nur so, wie Sie es wollen!
  14. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 376.
  15. Also am 18. Mai.
  16. Die von Emil Römmler und Leopold Erasmus Jonas 1871 in Dresden gegründete 'Kunstdruck-Anstalt'; das Firmengebäude befand sich in der Blasewitzer Straße 27.
  17. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 393.
  18. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 394.
  19. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 431.
  20. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 442.
  21. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 444.
  22. Schneider verkaufte eine Replik des von Klara May erworbenen Gemäldes an den Berliner Bankier Julius Perlis (1874-1935). [...]
  23. Steinmetz/Vollmer: Briefwechsel mit Sascha Schneider, S. 421; dort auch die vorige Fußnote.
  24. Range: Zwischen Max Klinger und Karl May, Anm. 117, S. 34.
  25. Schmid: Dem Andenken Sascha Schneiders, Nachdruck, S. A12-A14.
  26. Setzfehler oder Irrtum: Wie oben dargelegt, entstand das Ölgemälde nicht 1921, sondern schon 1919/20.
  27. Hatzig: Karl May und Sascha Schneider, S. 87.

Literatur[Bearbeiten]