Wounded Knee

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Stammesgebiete der Sioux-Gruppen (grün) und heutige Reservationen (orange), Wounded Knee rot

Wounded Knee (Lakota Chankpe Opi Wakpala) ist eine Ortschaft in der Pine Ridge Reservation im US-Bundesstaat South Dakota, benannt nach einem Nebenfluss des White River, dem Wounded Knee Creek.

Heute befindet sich hier auch eine Gedenkstätte, denn Wounded Knee wurde durch zwei Ereignisse bekannt: das Massaker der US-Armee an einer bis heute unbekannt gebliebenen Anzahl Lakota-Indianern 1890 und die Besetzung des Ortes durch Aktivisten des American Indian Movement (AIM) 1973.

Die historischen Ereignisse

Die Vorgeschichte

Die Lakota (oder Lakhota, Lak'ota, Lakȟóta – Verbündete), auch Teton (von Thítȟuŋwaŋ , Titonwan-kin – Dwellers of the Plains/Bewohner der Ebene), bilden mit den Dakota zusammen die Sioux. Bei der Geburt Karl Mays reichte ihr Gebiet vom Little Missouri River im Nordwesten bis zum Missouri River im Nordosten und zum Platte River im Süden. Ihr religiöses und mysthisches Zentrum waren die Black Hills in South Dakota, die von den Lakota als Sitz der Geister und damit als heilig betrachtet werden.

Nach einem ersten Vertrag 1805 kam es wiederholt zu Übergriffen von durch die Weißen geschädigten Indianern und so zu Konflikten und Toten auf beiden Seiten.

1851 bestätigten die USA in einem weiteren Vertrag das Territorium der Lakota und versprachen jährliche Zahlungen gegen das Recht, das Gebiet zu durchqueren und Militärposten zu errichten. Doch die Weißen brachten Krankheiten und vernichteten die Lebensgrundlage der Indianer: sie dezimierten und vertrieben die Bisons.

1854 kam es zum ersten Eklat: ein Gast tötete eine Kuh eines Siedlers, die das Lager verwüstet hatte; weil der Häuptling den Gast nicht ausliefern konnte, wurde er getötet, woraufhin die Indianer das 30-Mann-Kommando auslöschten. Die Armee griff ein unbeteiligtes Dorf an, tötete 86 Indianer und nahm weitere 70 gefangen. 1856 wurde der Krieger, der die Kuh getötet hatte, von seinem Häuptling ausgeliefert.

Doch die Provokationen und Übergriffe häuften sich und die Indianer begannen einen "Guerilla"-Krieg. 1868 kapitulierten die USA. Im Friedensvertrag von Fort Laramie garantierten sie den Lakota ein großes Gebiet zwischen Missouri und Platte River, in dem sie alle Posten bedingungslos aufgaben, nur die die Northern Pacific Railroad durfte auch Lakota-Gebiet durchqueren. Die Lakotas erhielten das alleinige Jagdrecht in den Black Hills.

Doch eine nach dem Vertrag illegale Expedition unter George A. Custer fand 1874 in den Bergen Gold. Nach den Goldfunden versuchte die Regierung erfolglos, die Lakota zu einer Abtretung der Bergkette zu bewegen. Sie befahl daher rechtswidrig und vertragsbrüchig, die Lakotas in mehrere winzige und nicht zusammenhängende Reservate zwangsumzusiedeln. Gegen Ende der Aktion sammelten sich die Reste der noch freien Lakotas zu einem letzten Befreiungsschlag am Little Bighorn River. Obwohl die USA in einer dreifachen Zangenbewegung angriffen, erlitten sie in der Schlacht am Little Bighorn eine vernichtende Niederlage, Custer und sein Regiment wurden völlig aufgerieben.

Danach brach der Widerstand der Lakota gegen die Übermacht der Weißen allerdings auch zusammen. Die siegreichen Häuptlinge und viele hervorragende Krieger mussten nach Kanada fliehen oder wurden ermordet, zuletzt am 5. September 1877 Häuptling Crazy Horse im Fort Robinson. Auch die letzten Lakota wurden nun deportiert und in Reservaten zusammengepfercht. Ihnen konnte es nur noch um das blanke Überleben als Mensch gehen und darum, wenigstens die eigene kulturelle Identität zu erhalten.

In genau diese Kerbe schlug auch die Geistertanz-, Revitalisierungs- und Erlösungsbewegung, die sich an alle Indianer richtete und der sich auch viele Lakota anschlossen.

Das Massaker

Die US-Regierung sah darin eine potentielle Gefahr. Sie ließ Sitting Bull ermorden und ordnete die Deportation eines Minneconjou-Stammes der Lakota-Sioux in ein Militärlager in Omaha an, der unter unter Häuptling Spotted Elk unweit des Wounded Knee seine Tipis aufgeschlagen hatte. Mit der Durchführung waren Teile des 7. US-Kavallerieregiments unter Colonel James William Forsyth beauftragt, die schon am 28. Dezember 1890 die Indianer nach Wounded Knee "begleiteten", wo der Häuptling sich erst entwaffnen lassen wollte. Die Entwaffnung begann schon am Abend.

Am 29. Dezember morgens waren auf den Anhöhen um das Zeltdorf Hotchkiss-Geschütze positioniert und das Dorf von Soldaten umstellt. Die Sioux mussten alle Feuerwaffen abgeben, doch dem Colonel schienen das zu wenige zu sein und er ließ alle Zelte durchsuchen. Dabei wurden auch alle anderen Waffen eingesammelt bis hin zu Messern. Die Indianer duldeten auch Leibesvisitationen, einzig der Medizinmann Yellow Bird protestierte und tanzte ein paar Schritte des Geistertanzes. Bei diesen Durchsuchungen wurde nur noch bei Black Coyote eine neue Winchester gefunden, die er unter seiner Kleidung versteckt hatte und nicht abgeben wollte. So kam es zu einem Gerangel, bei dem sich ein Schuss löste.

Wie auf Signal begannen die Soldaten, die nun völlig wehrlosen Indianer abzuschlachten. Die Zahl der ermordeten Männer, Frauen und Kinder wird auf 150 bis 350 geschätzt, zuzüglich der 25 Soldaten, die im Feuer ihrer Kameraden fielen (die Indianer hatten ja keine Feuerwaffen mehr).

Die Folgen

Forsyth wurde von jeder Schuld freigesprochen.

Lyman Frank Baum schrieb im Aberdeen Saturday Pioneer vom 3. Januar 1891 nach einer Klage über lediglich die toten US-Soldaten, hinsichtlich des Konflikts mit den Indianern müsse man auf das begangene Unrecht (dessen war man sich also bewusst!) noch ein weiteres draufsetzen und zur "totalen Auslöschung" der restlichen Rothäute schreiten, sonst habe man nie Ruhe.[1] Er lag damit genau auf der Linie der öffentlichen Meinung nicht nur seiner eigenen Zeit.

Seitens der Regierung wurde nichts mehr unternommen, zur langsamen Ausrottung reichten die Reservate: die Lebenserwartung lag bei knapp 44 Jahren, die Tuberkuloserate über dem Neunfachen des US-Durchschnitts, die Kindersterblichkeit war dreifach so hoch wie der Durchschnitt. Die regierungsamtliche Versorgung führte zu Herzerkrankungen, Diabetes, Sucht und einer Suizidrate der Jugendlichen um 50 % über dem Durchschnitt.

Bestätigt wird das alles auch durch die damals aktuellen Missionszeitschriften deutscher Franziskanerinnen und Jesuiten, deren Missionsstationen teils in unmittelbarer Nähe der Ereignisse lagen (Holy Rosary, Pine Ridge), deren Informationen auch Eingang fanden in die allgemeine deutsche Presse.[2]

bei Karl May

Das Massaker von Wounded Knee ist der wohl bekannteste Fall staatlichen Massenmordes an Indianern, keineswegs aber der einzige. Immer wieder drang die Kunde von derlei Ereignissen auch über den "großen Teich" bis an die Elbe. Karl May prangerte den systematischen Genozid immer wieder an, zuletzt in Winnetou IV. Klar stellte er dabei die verschiedenen Stufen dar:

  1. Verdrängung durch Siedler: Alles nicht bereits in anderem Besitz befindliches Land – wobei "im Besitz von Indianern" als "frei", "ohne Besitzer" galt – nahm die Union als Bundesland für sich in Anspruch. Sie verkaufte es an Siedler oder verschenkte es an Bahn-Konzerne. Auch Siedler, die über die Staatsgrenzen hinaus nach Westen vordrangen, wurden – soweit möglich – geschützt.
  2. Vernichtung der Existenzgrundlage: Die riesigen Bison-Herden, Lebensgrundlage vieler Indianervölker, wurden durch forcierten Abschuss, teils mit Schnellfeuerwaffen aus fahrenden Zügen, sinnlos bis an den Rand des Aussterbens dezimiert.
  3. Wiederholte Deportation in immer kleinere und immer schlechtere "Reservationen", die nur so lange reserviert blieben, bis sich doch noch jemand fand, der glaubte, auch diesen Boden noch wirtschaftlich verwerten zu können.
  4. Systematische Benachteiligung durch "Indianeragenten" und
  5. systematische Provokation durch fortgesetzte Rechtsbeugung, etwa dadurch, dass Verbrechen an Indianern gar nicht erst verhandelt wurden, während Abwehrversuche dieser gleich als Mord oder Mordversuch galten. Übergriffe der Armee blieben grundsätzlich ungeahndet.

Kaum ein Indianerabenteuer schrieb Karl May, ohne dass nicht wenigstens ein Teil dieser staatlich begangenen oder unterstützten Verbrechen vom Erzähler oder in Dialogen beklagt wurden.

Dieses Massaker wie auch der Begriff "Wounded Knee" werden zwar in den Büchern Karl Mays nie erwähnt; wie weit sie ähnliche Fälle in seinen Erzählungen beeinflusst haben, bleibt dem Empfinden des Lesers überlassen. Jedenfalls aber bestätigen die Tatsachen alle entsprechenden Vorwürfe Mays. Die Vorgänge von 1973 beweisen schlaglichtartig, dass auch Jahrzehnte später keine grundlegende Änderung im grundsätzlichen Verhalten der staatlichen Organe der USA eingetreten war und Mays Bücher aktueller denn je sind.

Fortsetzung

80 Jahre nach dem Massaker erschien Dee Browns erschütterndes Buch Bury My Heart at Wounded Knee ("Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses"), das jene Vorgänge auch außerhalb der USA einer breiten Öffentlichkeit bekannt machte. Vorher wurde das Wounded Knee Massaker als "letzte bedeutende kriegerische Auseinandersetzung" zwischen Indianern und Soldaten in Nordamerika dargestellt. Heute erst räumt selbst die Regierung ein, dass es sich eigentlich nie um eine Schlacht gehandelt habe, sondern um ein Hinschlachten ("more resembles a massacre than a battle").[3] Ehrlicher wäre, von fortgesetztem gezielten Völkermord zu sprechen.

Die Besetzung

Nur drei Jahre nach Bury My Heart at Wounded Knee besetzten Indianer des American Indian Movement Wounded Knee und riefen eine eigene Republik aus. Die Forderung nach der Absetzung der gewählten, aber der Korruption und Vetternwirtschaft verdächtigten Verwaltung von Pine Ridge und dem Ende der andauernden Menschenrechtsverletzungen in den Reservaten blieb erfolglos, dafür aber kam das FBI mit Scharfschützen.[4]

Nach dem Ende der Besetzung wurden viele der AIM-Aktivisten und deren Unterstützer angeklagt und vielfach zu Haftstrafen verurteilt. Marlon Brando nahm an den Gerichtsverfahren als Beobachter teil, um damit die Angeklagten – darunter die AIM-Führer Dennis Banks (* 1937) und Russell Means (* 1939; † 2012) – öffentlichkeitswirksam zu unterstützen.

Sacheen Littlefeather

Das Echo

Die in der DDR sehr populäre Autorin Liselotte Welskopf-Henrich, die ihre fiktionalen Texten auf breitem wissenschaftlichem Fundament bewusst als Gegenentwurf zu Karl Mays Erzählungen verfasste, nutzte in ihrer Pentalogie Das Blut des Adlers (1966 bis 1980) u.a. auch die Geschehnisse am Wounded Knee als historischen Hintergrund.

Aus Protest gegen die Darstellung der Indianer durch Hollywood sowie die Vorgänge am Wounded Knee 1973 verweigerte Marlon Brando die Annahme des Oscars als bester Hauptdarsteller (für "Der Pate"); er bat die Apachin Sacheen Littlefeather, dies in seinem Namen bekanntzugeben.[5]

Anmerkungen

  1. L. Frank Baum's Editorials on the Sioux Nation; Northern State University, Aberdeen, South Dakota, USA; via Internet Archive.
  2. Siehe auch M-KMG 128, S. 54–58.
  3. National Park Service.
  4. Dokumentationsreihe bei arte, ausgestrahlt am 27. Februar 2010: Wir bleiben bestehen. Wounded Knee.
  5. Ausschnitt aus der TV-Übertragung.

Literatur

  • Dee Brown: Bury My Heart at Wounded Knee ("Begrabt mein Herz an der Biegung des Flusses"), 1970.
Martin Nizhoní Gollner-Marin: IKCE WICASA. Der Überlebenskampf der Lakota und die Liebe zur Weisheit, Freiburg i. Br. 1994. [Dissertation] (Onlinefassung)

Weblinks