Wir knieen hier vor deinem Angesichte (Gedicht)

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Wir knieen hier vor deinem Angesichte ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

"Wir knieen hier vor deinem Angesichte
  Im Geist vom Geiste, nicht im Staub vom Staube,
Wir flehen um das Licht von deinem Lichte;
  Im Dunkel bleibt der falsche Erdenglaube.
Du bist der Vater. Alle sind wir dein.
  Laß uns im Lichte deine Kinder sein!
Du schufst die Welt als größtes Wort der Liebe,
  Doch will die Menschheit dieses Wort nicht fassen.
Und wenn sie tausend heilge Bücher schriebe,
  Sie würde doch nicht lieben, sondern hassen.
Du bist der Vater. Alle sind wir dein.
  Laß uns in Liebe deine Kinder sein!
In ewgem Frieden kreisen deine Sterne.
  Ihr Licht umfließt die ganze, ganze Erde,
O daß sie doch von diesem Lichte lerne
  Und endlich, endlich menschenfreundlich werde!
Du bist der Vater. Alle sind wir dein.
  Laß uns im Frieden deine Kinder sein!"[1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

Das Gedicht ist als Lied in Karl Mays Reiseerzählung Im Reiche des silbernen Löwen III (1902) enthalten, die zum Spätwerk des Schriftstellers gehört. Es erklingt im Tal der Dschamikun direkt nach dem Rosenlied:

Und aber doch diese Wirkung! Von mir und den Dschamikun selbst will ich in dieser Beziehung nicht sprechen; aber das Lied hatte sämtliche Perser vom Waldesrande herabgelockt. Sie hatten ihre Pferde oben gelassen und sich hinten bei den Säulen hingesetzt. Es war ihnen und ihrem Verhalten anzusehen, welchen Eindruck das Lied auf sie gemacht hatte. Indem sie miteinander sprachen, drückten ihre Mienen und Blicke sehr deutlich den Wunsch aus, daß man doch weitersingen möge.
Er wurde erfüllt. Die vorigen Sänger hatten sich entfernt. Jetzt kamen vier Männer und vier Frauen, also acht Personen. Man nennt das bei uns ein Doppelquartett. Was sie sangen, klang außerordentlich ernst. Die Worte lauteten:
  "Wir knieen hier vor deinem Angesichte [...]
Das war ein Gebet! Und wie wurde es gesungen! Nicht etwa nach einer alten, wohlbekannten Melodie, der man auch jeden andern Text unterlegen kann. Hier beteten die Töne noch deutlicher als die Worte. Die Perser waren doch wohl Leute, welche durch Worte nicht so leicht überwältigt werden konnten; aber als der letzte Ton jetzt über das Thal hinüber nach den lauschenden Bergen klang, wo die Hirten still bei ihren Herden standen, da sah ich alle zwölf Köpfe tief herabgesenkt, und es dauerte längere Zeit, ehe sich die Gesichter wieder sehen ließen. Worte klingen sehr leicht nur an das Ohr. Waren bei ihnen die Töne tiefer eingedrungen, um ihnen das erbetene Licht zu der Erkenntnis zu bringen, daß niemand sich der wahren Liebe rühmen darf, wenn er nicht den Frieden seines Nächsten achtet. Dann hätte der zum Menschenherzen trachtende Himmelsklang hier, am Beit-y-Chodeh der Dschamikun, ein Wunder bewirkt, welches den wohlerwogenen Worten und wohlgesetzten Reimen und Liedern anderer nicht gelingen will![2]

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Aktuelle Ausgaben der Reiseerzählung Im Reiche des silbernen Löwen III sind in der Bücherdatenbank zu finden.

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Im Reiche des silbernen Löwen III. In: Karl Mays Werke, S. 65532 f. (vgl. KMW-V.3, S. 540).
  2. Karl May: Im Reiche des silbernen Löwen III. In: Karl Mays Werke, S. 65532–65534. (vgl. KMW-V.3, S. 539–541).

Weblinks[Bearbeiten]