Sonnenscheinchen (Gedicht)

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Sonnenscheinchen ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

"Komm mit hinaus in meinen Sonnenschein.
Ich bin der Frühling. Laß dich doch erflehen!
Der liebe Gott schickt mich zu dir herein.
Du sollst mit mir hinaus ins Freie gehen!"[1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

In Karl Mays später Dorfgeschichte Sonnenscheinchen (1903) ist das Gedicht zu finden. Die Frau Majorin hat es gedichtet und das Sonnenscheinchen hat es auswendig gelernt und sagt es seinem Vater in brenzliger Situation:

Sie zwang ihn, den bewaffneten Arm des Pachthofers, den er bisher festgehalten hatte, freizugeben. Dieser holte aus und stach zu. Es gelang Felber, sich halb auf die Seite zu biegen. Der Stich streifte seinen Hals. Da war es mit seiner Selbstbeherrschung vorbei. Er riß die Mutter von sich los und schleuderte sie auf die Seite. Dann bückte er sich, um den Pachthofer zu unterlaufen, faßte ihn unter beiden Armen, hob ihn empor, schleuderte ihn auf die Diele nieder, daß es nur so krachte, warf sich auf ihn und riß ihm das Messer aus der Hand.
In diesem Augenblicke herrschte tiefe Stille in der Stube. Es war der Moment vor einer fürchterlichen Tat. Kein Mensch wagte, einen Laut auszustoßen, als Felber nun das Messer hob, um den erhaltenen Stich zurückzugeben. Kein Mensch? O doch!
Großmutter lag am Boden. Neben ihr stand das Sonnenscheinchen. Es fühlte eine entsetzliche Angst in sich. Der Vater kniete auf dem Pächter, hatte mit der Linken seinen Hals umklammert und in der Rechten das Messer. Er sah so aus, daß man sich vor ihm fürchten mußte. Niemand sprach. Aber das Kind fühlte, daß man gerade jetzt etwas sagen müsse; es wußte nur nicht, was. Da fiel ihm das Gedichtchen ein, wegen dessen es der Großmutter ja nachgelaufen war. Es faltete die Händchen, drängte die Tränen der Angst, welche hervorbrechen wollten, zurück und rief:
"Vater, ich kann es; ich habe es gelernt; ich werde es dir sagen."
Als Felber die liebe, klare Stimme seines Kindes hörte, wandte er den Kopf, hielt aber den Pächter um so fester. Reden konnte er nicht; dazu war er zu erregt. Da tat das Sonnenscheinchen zwei Schritte auf ihn zu und sprach deutlich und ohne allen Anstoß:
  "Komm mit hinaus in meinen Sonnenschein.
  Ich bin der Frühling. Laß dich doch erflehen!
  Der liebe Gott schickt mich zu dir herein.
  Du sollst mit mir hinaus ins Freie gehen!"
Was nun geschah, das läßt sich unmöglich erzählen. Worte reichen dazu nicht aus. Felber schloß zunächst für ein paar Augenblicke die Augen, als ob in seinem Innern etwas vor sich gehe, was niemand von außen sehen dürfe. Dann stieß er einen Schrei aus, der laut durch die Stube schmetterte und noch draußen auf der Straße gehört werden konnte. Hierauf schnellte er sich empor, warf das Messer weit von sich und stürzte auf sein Kind zu. Er kniete vor ihm nieder, drückte es an sich und rief, es küssend und immer wieder küssend:
"Mein Sonnenscheinchen, mein liebes, liebes Sonnenscheinchen – – – –! Ja, ja, es ist richtig: Der liebe Gott hat dich von draußen hereingeschickt –! Was hätte ich getan – – was, was? – – Das war der Mord, der Mord! – – – – Es war finster vor meinen Augen, ganz finster, dunkel, dunkel! Da kamst du, der liebe, helle Sonnenschein. Da wurde es wieder licht – – licht – – – licht – – –! Ja, komm, komm, komm – – – hinaus ins Freie! Der Spruch, den du gesagt hast, ist mir unbekannt – aber das weiß ich, daß er vom Himmel gekommen ist, damit du deinen Vater retten mögest. – – Hinaus ins Freie! Auch du mit, meine Mutter! – – Das soll das letzte Mal im Leben sein, daß ich mich vom Zorn um den Verstand bringen lasse!"[2]

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Aktuelle Ausgaben der Erzählung Sonnenscheinchen sind in der Bücherdatenbank zu finden.

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Sonnenscheinchen. In: Karl Mays Werke, S. 68914 (vgl. KMW-V.8-372 B, S. 25).
  2. Karl May: Sonnenscheinchen. In: Karl Mays Werke, S. 68913–68915 (vgl. KMW-I.3-99:40, S. 24–26).

Weblinks[Bearbeiten]