Schankwirtschaft Engelhardt

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Zu der Hohensteiner Schankwirtschaft Engelhardt gehörte auch ein Kegelhaus und eine Leihbücherei. Die Inhaber waren Johanne Christiane Engelhardt (verw. gew. Gündel, * 1799; † 1876) und Christian Friedrich Engelhardt (* 1805; † 1878).

Kegelbahn[Bearbeiten]

Die Kegelbahn

Im um ca. 1800 errichteten Kegelschub[1] dieser Gastwirtschaft in der Karlstraße 57 arbeitete der zwölfjährige Karl May, wie er in seiner Autobiografie[2] schreibt, im Jahre 1854 als Kegelaufsetzer. Dadurch hatte er am Sonntag keine freie Zeit mehr, denn gekegelt wurde gleich nach dem Kirchenbesuch bis in den späten Abend hinein. Der Haupttag aber war der Montag, an dem die Landbewohner nach dem Markt bis Mitternacht Partie um Partie Kegel schoben. Da der Kegelschub wie ein Hörrohr wirkte, musste er alles mitanhören – auch Schmutz und Gift. Als Lohn hat er Geld verdient, sehr viel Geld., das sich aus festem Stundenlohn und Zusatzbeträgen summierte. Ab und an erhielt er dazu ein Butterbrot und ein zusammen gekipptes Bier, manchmal zur Anregung der Lebensgeister auch einen Schnaps. Mit zwanzig verdienten Groschen kam er dann etwas reicher, aber übermüdet nach Hause. Von dem Geld finanzierte er Zusatzunterricht in Englisch und Französisch als Teilnehmer der Vorbereitungskurse der Auswandererkinder. Erste Heimkehrer aus Amerika, die er dort traf, erzählten ihm von den USA.

Seine Wartezeit vertrieb er sich mit Lektüre aus der erwähnten Leihbücherei.

Am 2. Juli 1869 wurde der steckbrieflich gesuchte May schlafend im Kegelhaus entdeckt und verhaftet.

Die Kegelbahn ist noch erhalten, aber stark baufällig. 2009 wurde vom Eigentümer ein Antrag auf Abrisserlaubnis gestellt. Eine Unterschriftenaktion hat den Abbruch verhindert; momentan (2010) läuft eine Spendenaktion, um das Gebäude vor dem Einsturz zu bewahren bzw. dauerhaft zu erhalten.

Leihbücherei[Bearbeiten]

Titelseite des Katalogs der Leihbücherei: Verzeichniß der Büchersammlung von Joh. Gottl. Gündel's Witwe in Hohenstein.

Die an die Schankwirtschaft Engelhardt angeschlossene Leihbücherei umfasste um 1850 über 1.540 Bände. Darunter waren die bekanntesten Unterhaltungsromane des 18. und 19. Jahrhunderts wie z. B. Die Geheimnisse von Paris von Eugène Sue, Der Graf von Monte Christo von Alexandre Dumas und Rinaldo Rinaldini von Christian August Vulpius.

Der Katalog der Leihbücherei ist erhalten.

Niemals habe ich eine so schmutzige, innerlich und äußerlich geradezu ruppige, äußerst gefährliche Büchersammlung, wie diese war, nochmals gesehen! Sie rentierte sich außerordentlich, denn sie war die einzige, die es in den beiden Städtchen gab. Hinzugekauft wurde nichts. Die einzige Veränderung, die sie erlitt, war die, daß die Einbände immer schmutziger und die Blätter immer schmieriger und abgegriffener wurden. Der Inhalt aber wurde von den Lesern immer wieder von neuem verschlungen, und ich muß der Wahrheit die Ehre geben und zu meiner Schande gestehen, daß auch ich, nachdem ich einmal gekostet hatte, dem Teufel, der in diesen Bänden steckte, gänzlich verfiel. Was für ein Teufel das war, mögen einige Titel zeigen: Rinaldo Rinaldini, der Räuberhauptmann, von Vulpius, Goethes Schwager. Sallo Sallini, der edle Räuberhauptmann. Himlo Himlini, der wohltätige Räuberhauptmann. Die Räuberhöhle auf dem Monte Viso. Bellini, der bewunderswürdige Bandit. Die schöne Räuberbraut oder das Opfer des ungerechten Richters. Der Hungerturm oder die Grausamkeit der Gesetze. Bruno von Löweneck, der Pfaffenvertilger. Hans von Hunsrück oder der Raubritter als Beschützer der Armen. Emilia, die eingemauerte Nonne. Botho von Tollenfels, der Retter der Unschuldigen. Die Braut am Hochgericht. Der König als Mörder. Die Sünden des Erzbischofs u. s. w. u. s. w. [...] Das Schlimmste an dieser Lektüre war, daß sie in meine spätere Knabenzeit fiel, wo alles, was sich in meiner Seele festsetzte, für immer festgehalten wurde. Hierzu kam die mir angeborene Naivität, die ich selbst heute noch in hohem Grade besitze. Ich glaubte an das, was ich da las, und Vater, Mutter und Geschwister glaubten es mit. [...] Es war uns in unserer Armut ein Hochgenuß, von "edlen" Menschen zu lesen, die immerfort Reichtümer verschenkten.
Daß sie diese Reichtümer vorher andern abgestohlen und abgeraubt hatten, das war ihre Sache; uns irritierte das nicht! Wenn wir lasen, wieviel bedürftige Menschen durch so einen Räuberhauptmann unterstützt und gerettet worden seien, so freuten wir uns darüber und bildeten uns ein, wie schön es wäre, wenn so ein Himlo Himlini plötzlich hier bei uns zur Tür hereinträte, zehntausend blanke Taler auf den Tisch zählte und dabei sagte; "Das ist für euren Knaben; er mag studieren und ein Dichter werden, der Theaterstücke schreibt!" [...]
Ich muß bekennen, daß ich diese verderblichen Bücher nicht nur las, sondern auch vorlas, nämlich zunächst meinen Eltern und Geschwistern und sodann auch in anderen Familien, die ganz versessen darauf waren. Es ist gar nicht zu sagen, welchen unendlichen Schaden eine einzige solche Scharteke herbeiführen kann. Alles Positive geht verloren, und schließlich bleibt nur die traurige Negation zurück. Die Rechtsbegriffe und Rechtsanschauungen verändern sich; die Lüge wird zur Wahrheit, die Wahrheit zur Lüge. Das Gewissen stirbt. Die Unterscheidung zwischen gut und bös wird immer unzuverlässiger! das [Das] führt schließlich zur Bewunderung der verbotenen Tat, die scheinbar Hilfe bringt. Damit ist man aber nicht etwa schon ganz unten im Abgrunde angelangt, sondern es geht noch tiefer, immer tiefer, bis zum äußersten Verbrechertum. (Karl May: Mein Leben und Streben)

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Bis ins 18. Jahrhundert kegelte man ausnahmslos im Freien. 1786 veröffentliche Johann Georg Krünitz in seinem Lexikon erstmals 13 Regeln für das Kegelspiel, die teilweise heute noch gelten. Die ersten Spielgemeinschaften (Kegel-Klubs) wurden 1826 registriert. Als wahrscheinlich älteste freistehende Kegelbahn galt bislang die Anlage in Marburg von 1873. Der Hohensteiner Kegelschub ist jedoch bereits um 1800 erbaut worden. Somit dürfte die Karl-May-Kegelbahn als eigenständiges Bauwerk die älteste Deutschlands sein.
  2. Karl May: Mein Leben und Streben, 1910, S. 71 f.

Literatur[Bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten]