Rigi Kulm (Gedicht)

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Rigi Kulm, auch mit Auf Rigi-Kulm überschrieben, ist ein Gedicht von Karl May und gehört zur fragmentarischen Gedichtesammlung Eine Pilgerreise in das Morgenland.

Text[Bearbeiten]

     Rigi Kulm.
Siehst du die wunderbare Herrlichkeit,
  Die vor dein Auge sich hier rundum breitet?
Fühlst du, daß sie dich innen firmt und weiht,
  Dich von der Schöpfung auf den Schöpfer leitet?
Willst du der Allmacht Worte recht verstehen,
So darfst du sie nicht so wie Andre sehen.
Den rothen "Führer" krampfhaft in der Hand,
  Sind sie bemüht, zu messen, zu vergleichen,
Als habe Bädecker sie hergesandt,
  Um ihnen als untrüglich sich zu zeigen.
Man hat die Berge alle nachzuzählen;
Auch keiner, der im "Mayer" steht, darf fehlen.
Doch ich bin ohne den geliebten Band;
  Ich will die Schöpfung, kein Verzeichnis schauen.
Starr immer ich aufs Buch in meiner Hand,
  Wie kann ich mich an Gottes Huld erbauen!
Zu ihm bin ich als Pilger aufgestiegen
Und ließ den Band für die Touristen liegen.
Kaum sind sie angekommen, giebts sogleich
  Ein fortgesetztes Fragen, Rufen, Raunen;
Mich alter stört kein fremder Fingerzeig
  In meinem tiefen, heilig stillen Staunen.
Ich sah die Größe Gottes mir erscheinen
Und möcht in Demuth niederknien und weinen.
Ein jeder Berg dünkt mir ein Athemzug
  Der Erde, einst vor Schreck zu Stein geworden.
Als unser Ahne von dem Sündenfluch
  Vertrieben ward aus seines Edens Pforten;
Die Schläge ihres Pulses, sie erstarrten.
Und ragen himmelan, des Heils zu warten.
Und kaum daß ich dies denke, sieh, da. fällt
  Wie eine Antwort mir, im Ost der Schleier,
Und die vorher so todte Eiseswelt
  Strahlt plötzlich Leben, liegt in Sabbathsfeier.
Erleuchtung, nicht Beleuchtung kommt den Firnen,
Und nun erglänzen himmlisch ihre Stirnen.
Ist es ein irdsches, ists ein Sphärenlicht?
  Sind es die Berge wirklich, welche glühen?
Ists Wahrheit, oder ist es ein Gesicht,
  In dem mir jetzt die Zinnen Zions sprühen?
Ich komme, Herr! Du gabst mir dieses Zeichen;
Drum will ich stetig auf zur Klarheit steigen!
Und nun, wie stehts? Ich ärmlicher Poet
  Nahm mir ja vor, dies Wunder zu beschreiben!
Wenn so in Gluth die Welt zum Himmel fleht,
  Hat jedes Menschenwort zu unterbleiben.
Ich kann nur stumm und leise seitwärts treten,
Nicht um zu dichten, sondern um zu beten![1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

Während seiner Orientreise traf Karl May am 14. April 1899 in Kairo ein, wo er das Gedicht verfasste. Das Manuskript enthält den Vermerk:

Sonntag, d[en] 16./4. [18]99.
Abends 12 Uhr.
Hôtel Bavaria, Kairo.

Auf dem Titelblatt der Pilgerreise hat May vermerkt, dass er das Manuskript am 20. April 1899 in Kairo begonnen habe. In dieser Sammlung war das Poem das vierte.[2]

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

siehe auch[Bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Jb-KMG 2009, S. 113 f.
  2. Hans Wollschläger/Ekkehard Bartsch: Karl Mays Orientreise 1899/1900. Dokumentation. In: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1971, S. 165–215 (S. 168). (Onlinefassung) Auch in: Dieter Sudhoff/Hans-Dieter Steinmetz: Karl-May-Chronik II. Sonderband zu den Gesammelten Werken. Karl-May-Verlag Bamberg–Radebeul 2005, S. 222 f. ISBN 978-3-7802-0170-6.

Literatur[Bearbeiten]

  • Hartmut Vollmer: Karl Mays Gedichtsammlung "Eine Pilgerreise in das Morgenland". In: Jb-KMG 2009, S. 121–126.

Weblinks[Bearbeiten]