Herr, ich trete (Gedicht)

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Herr, ich trete ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

in Der Weg zum Glück.[Bearbeiten]

"Herr, ich trete im Gebete
  Vor Dein heilig Angesicht.
Laß Dir sagen meine Klagen;
  Höre, was mein Flehen spricht.
Meines Lebens kurze Stunden
  Neigen sich zum Abendroth;
Alles Hoffen ist verschwunden,
  Und mein Sein sinkt in den Tod.
Darum trete im Gebete
  Ich jetzt vor Dein Angesicht.
Laß Dir sagen meine Klagen;
  Höre, was mein Flehen spricht!"[1]

in In der Heimath.[Bearbeiten]

"Herr, ich trete
im Gebete
Vor Dein heilig Angesicht.
Laß Dir sagen
meine Klagen;
Höre, was mein Flehen spricht!"[2]

in Im Reiche des silbernen Löwen III.[Bearbeiten]

  Herr, ich trete
  Im Gebete
Vor dein heilig Angesicht.
  Laß dir sagen
  Meine Klagen;
Höre, was mein Flehen spricht!
  Herr, es treten,
  Um zu beten
Zu dir Alle, die du liebst.
  Laß den Glauben
  Uns nicht rauben,
Daß du nichts als Leben giebst![3]

Textgeschichte[Bearbeiten]

in Der Weg zum Glück.[Bearbeiten]

Das Gedicht ist in Karl Mays Roman Der Weg zum Glück (18861888) als Lied zu finden, und zwar im 1. Kapitel Auf der Alm, rezitiert es der Kantor und wird dabei von der Muhrenleni, dem Wurzelsepp und Ludwig II. von Bayern belauscht:

Der Cantor war ein guter Organist. Er verstand, mit den Registern umzugehen. Er spielte eine Melodie nach der andern, nicht blos Kirchenlieder, sondern auch andere. Zuletzt ging er zu dem ergreifenden Gebete über:
  "Herr, ich trete im Gebete [...]
Diese Melodie wirkt unwiderstehlich auf jedes empfängliche Gemüth. Leni saß da, mit gefalteten Händen, und in lauter Thränentropfen löste sich der Schmerz von ihrem Herzen. Auch der Wurzelsepp fuhr sich fleißig mit der Hand nach den Augen.
Beide hatten gar nicht bemerkt, daß sie nicht mehr allein seien, sondern daß hinter ihnen Einer stand, der sie theilnehmend beobachtete. Als dann der letzte Ton verklungen war, legte sich eine Hand auf Leni's Achsel.
"Kommt mit mir! Ich habe mit Euch zu sprechen."
Sie drehten sich um.
"O Himmel! Der König!" sagte der Sepp.
"Erschrickst Du vor mir?"
"Nein, Majestät. Mein Gewissen ist gut, wenn auch grad jetzt uns die Herzen schwer sind."
"So geht mit mir! Vielleicht gelingt es mir, sie Euch zu erleichtern." – – –[4]

in In der Heimath.[Bearbeiten]

Das Gedicht ist auch in Karl Mays Reiseerzählung Satan und Ischariot (1894/95) als Lied enthalten, und zwar im nicht für die Zeitschriften- und Buchausgabe verwendeten Kapitel In der Heimath. Der Ich-Erzähler hört den Gesangverein sein eigenes Lied singen, ohne dass er den Text dazu abgegeben hätte, und spricht mit dem Professor darüber:

"[...] Hören Sie, Professor, was da drüben gesungen wird?"
"Ein Lied, wie es scheint."
"Aber was für eins! Das kennen Sie doch!"
"Kann mich nicht besinnen."
So horchen Sie, horchen Sie!"
Von drüben, wo mehrere Fenster erleuchtet waren, klang es in vierstimmigem Männerchor deutlich herüber:
  Herr, ich trete [...]
Diese Melodie, diese Töne, diese Worte mußten meine Verwunderung erregen, denn ich hatte sie selbst gedichtet und auch selbst komponiert.
[...]
"Sie haben diesen Text gedichtet?"
"Ja, nicht Metastasio."
"Und diese Noten komponiert?"
"Auch. Mozart ist ganz unschuldig daran!"
"Da wird mir doch ganz dumm im Kopf! Helfen Sie mir doch! Es schwebt mir so etwas wie im Nebel vor, daß Sie einmal von einer Oper gesprochen haben."
"Die noch heut nicht fertig ist, allerdings! Das war bei meinem vorletzten Besuch. Ich spielte Ihnen verschiedenes vor, was ich schon fertig hatte und was mir noch im Kopf herumging. Besinnen Sie sich! Der erste Akt begann mit dem Müllerlied vor einer Mühle."
"Ja, richtig! Klippklapp, klippklapp! Der eine Bursche dengelte die Sense im Takt und der andre klatschte mit der Peitsche dazu."
"Dann das Lied des Jägerburschen vor dem Forsthaus!"
"Richtig! Es ist, als ob ich es noch jetzt hörte."
"Das Gebet der Mutter für ihren verlorenen Sohn!"
"Ja, ja, das war... Mein Himmel, das war ja dasselbe Gebet, welches jetzt die da drüben gesungen haben!"[5]

Mit der Oper ist vermutlich die von May nie vollendete frühe Posse Die Pantoffelmühle gemeint.

in Im Reiche des silbernen Löwen III.[Bearbeiten]

In zu Karl Mays Spätwerk gehörender Reiseerzählung Im Reiche des silbernen Löwen III hört der kranke Ich-Erzähler das Lied auf kurdisch:

Tiefe, fromme Stille herrschte in mir und auch rund umher. Aber ich hatte die Empfindung, daß ich nicht allein und verlassen sei. Es umwehte mich ein feiner, gottesdienstlicher Duft, wie von Weihrauch und Myrrhen. Da erklangen hoch über mir zwei Glöcklein. Sonderbar, daß ihr schönes Harmonieverhältnis mir sofort in die Ohren trat! Die eine, tiefe, war in die untere Dursexte der oberen gestimmt. Es war gewiß ganz eigentümlich, daß mir trotz meines Ouinte fehle! Nun wieder tiefe Stille. Dann hörte ich in kurdischer Sprache ein vierstimmiges, feierliches Lied erklingen, dessen erste Strophe deutsch zu lauten hätte:
  "Herr, ich trete [...]
Es waren nicht Orgel- sondern Harfentöne, welche dieses Lied begleiteten. Gab es hier eine Kirche? War ich überhaupt auf der Erde? Träumte oder wachte ich? Ich hatte keine Macht über meine Augen. Besaß ich überhaupt jetzt welche? War ich jetzt vielleicht nur Geist, nur Seele? Wo war mein Körper geblieben? Ich fühlte ihn nicht!
Da gab es neben mir ein leises, leises Rauschen wie von einem feinen, sich bewegenden Gewande. Zwei warme, weiche Frauenhände ergriffen meine Hand, und eine innig sprechende Altstimme betete:
  "Herr, es treten, [...]
Meine Hand wurde lange festgehalten. Das merkte ich, obgleich ich den Sinn für Zeit und Raum kaum noch zu besitzen schien. Dann gab es eine Berührung, als ob zwei Lippen sich auf diese meine Hand legten. Ich wollte sie zurückziehen, ohne daß ich diese Bewegung ausführen konnte. Wer war es, der, vor mir knieend, um mein Leben gebetet hatte? Ich wünschte so dringend, dies zu erfahren, doch gelang es mir nicht, ein Wort der Frage auszusprechen. Aber ich fühlte, daß meine Augen sich öffneten; das war so eigenartig, so ganz als ob es nicht meine leiblichen, sondern die seelischen seien. Da sah ich in ein liebes, ernstes, reines Frauengesicht. Es war von einer so frommen, edlen Schönheit, wie man Heilige abzubilden pflegt. Die Augen waren dunkel und trotzdem doch so hell, so licht, so klar. Es ging von ihnen eine Wärme aus, welche auf mich überfloß. Mir war, als ob ich dieses Antlitz schon einmal gesehen habe, nicht gleichgültig und vorübergehend, sondern sorgsam und mit derselben Herzenswärme, welche ich jetzt zurückempfing.[6]

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Aktuelle Ausgaben Mayscher Werke sind in der Bücherdatenbank zu finden:

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 29867 (vgl. KMW-II.26, S. 76 f.).
  2. Karl May: Old Shatterhand in der Heimat, S. 93.
  3. Karl May: Im Reiche des silbernen Löwen III. In: Karl Mays Werke, S. 65183 f. (vgl. KMW-V.3, S. 263).
  4. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 29867 f. (vgl. KMW-II.26, S. 76 f.).
  5. Karl May: Old Shatterhand in der Heimat, S. 92–97.
  6. Karl May: Im Reiche des silbernen Löwen III. In: Karl Mays Werke, S. 65183–65185 (vgl. KMW-V.3, S. 262–264).

Weblinks[Bearbeiten]