Es giebt so wunderliebliche Geschichten (Gedicht)

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Es giebt so wunderliebliche Geschichten, auch Der Schutzengel genannt, ist ein Gedicht von Karl May.

Text[Bearbeiten]

Es giebt so wunderliebliche Geschichten,
Die bald von Engeln, bald von Feen berichten,
  In deren Schutz wir Menschenkinder stehn.
Man will so gern den Worten Glauben schenken
Und tief in ihren Zauber sich versenken,
  Denn Gottes Odem fühlt man daraus wehn.
So ist's in meiner Kindheit mir ergangen,
In welcher oft ich mit erregten Wangen
  Auf solcherlei Erzählungen gelauscht,
Dann hat der Traum die magischen Gestalten
In stiller Nacht mir lebend vorgehalten,
  Und ihre Flügel haben mich umrauscht.
Fragt auch der Zweifler, ob's im Erdenleben
Wohl könne körperlose Wesen geben,
  Die für die Sinne unerreichbar sind,
Ich will die Jugendbilder mir erhalten
Und glaub an Gottes unerforschlich Walten
  Wie ich's vertrauensvoll geglaubt als Kind.[1]

Textgeschichte[Bearbeiten]

in Der Weg zum Glück.[Bearbeiten]

Das Gedicht ist zweimal in Karl Mays Roman Der Weg zum Glück (18861888) zu finden. Das erste Mal, im 5. Kapitel Der Silberbauer, rezitiert es Ludwig II. von Bayern und wird dabei belauscht:

Der König ließ sich nach seinen Zimmern bringen, welche allerdings zweier Schmuckkästchen glichen. Dort setzte er sich hin, um das Manuscript zu lesen.
Barbara begann dann, sich in der Küche zu beschäftigen. Liesbeth half ihr, und der Heiner ging zu dem Müller. Nach einiger Zeit kam er in die Küche gelaufen und fragte:
"Bärbel, ist denn Jemand droben bei dem Herrn Ludewigen?"
"Nein."
"Er redet doch mit Jemand!"
"Es ist Niemand droben."
"Und doch muß Jemand droben sein, mit welchem er sich vielleicht gar zanken thut. Er brüllt gar laut."
"Herrjesses! Es wird sich doch Niemand zu ihm hinauf schlichen haben!"
"Das wird sein, denn horch nur mal!"
Er machte die Küchenthür auf, und da war allerdings trotz des Mühlengeklappers die Stimme des Königs sehr laut zu hören.
"Freilich ist wer droben!" sagte die Barbara. "Sonst thät er doch nicht reden."
"Und schreien thut er so! Da muß man ihm zu Hilf kommen. Gehn wir hinaufi, Barbara!"
"Ja, gehn wir! Ich möcht nur wissen, was für ein Lumpen so heimlich hinaufi gangen ist. Dem werd ich aberst die Höllen heiß machen."
Sie stiegen die Treppe empor. An der Thür blieben sie stehen.
"Wollen erst horchen," sagte die Barbara. "Vielleicht hören wir gleich an dera Stimmen, wer bei ihm ist."
Sie lauschten. Die Stimme des Königs ertönte laut:
"Herrlich, herrlich! Das rechtfertigt den Titel des Stückes, 'der Schutzengel'. Dieser Lehrer ist ja ein Talent, vielleicht noch mehr."
"Er zankt nicht," flüsterte Barbara.
"Nein," antwortete der Heiner. "Sie reden halt von dem Herrn Lehrern. Horch!"
Drinnen erklang es mit Pathos:
  "Es giebt so wunderliebliche Geschichten, [...]
"Du," flüsterte die Barbara, "die reden vom Zauber."
"Ja. Es wird doch nicht etwan gar eine Teufelei losgelassen werden sollen!"
Drin erklang es weiter:
  "So ists in meiner Kindheit mir ergangen, [...]
"Die reden von Flügeln. Verstehst was davon?" fragte die Barbara.
"Nein. Horch noch mal!"
Mit erhöhter Stimme fuhr der König fort:
  "Fragt auch der Zweifler, obs im Erdenleben [...]
"Na, Zank ist das halt nicht," meinte der Heiner.
"Nein. Aber Einer ist doch bei ihm drin!"
"Ja, und wer?"
"Wollen wir hinein?"
"Nein. Wanns kein Zank ist, brauchen wir ihm nicht zu helfen. Aberst ich werd unten im Haus bleiben und dem auflauern, der drin bei ihm ist."[2]

Das zweite Mal taucht das Poem im 8. Kapitel Zweimal gerettet auf, im Gespräch zwischen Ludwig Held und seiner Mutter über Schutzengel und Feen:

[Ludwig:] "Das sind Märchen. Es giebt gar keine Feen."
Die Mutter machte ein sehr erschrockenes Gesicht, hob warnend den Finger empor und sagte:
"Du, wast da redest, das ist eine Sünden! Das darf man nicht; das ist verboten!"
"Meinst? Wo ists denn verboten!"
"Das weiß ich freilich nicht. Aber dennoch ists eine Sünden, wenn man nicht glaubt, daß es so gute Wesen giebt, die denen Menschen zuweilen eine Lieb erweisen und ihm ein Glück bringen."
"Ja, solche Wesen giebts. Das sind die heiligen Engel. Aberst von denen Feen steht in dera heiligen Schrift nix schrieben."
"Das ist auch nicht nothwendig. Weißt, als ich mal hier war und auch des Abends hier blieben bin, da hat die Gisela aus einem schönen Buch mehrere Gedichten vorgelesen. Das war des Abends, als dera Bauer ins Wirthshaus gangen ist. Und da war auch eins dabei, in dem von den Feen die Red gewest ist. Also muß es doch welche geben, wann die Dichter solcherlei Gedichten über sie machen."
"Das ist das Buch, welches da oben über dera Thür liegt. Ich kenn das Gedichten auch noch. Aberst da steht gar nicht darinnen, daß es wirkliche Feen giebt."
"O doch. Ich habs mir ganz gut merkt."
"So werd ichs Dir gleich mal bringen."
"Aberst wann dera Bauer dazu kommt!"
"Was könnt der dagegen sagen? Er kommt auch gar nicht. Wann er zu Mittag gessen hat, so schlaft er allemal bis dahin, wann dera Kaffee trunken wird. Der wird uns also gar nicht stören."
Er ging zur Thür, nahm das betreffende Buch von dem über derselben befindlichen Bret herab, kam mit ihm zurück und schlug das Gedicht auf.
"Hier ists," sagte er. "Die Bäurin liests auch gern, besonders wann mal was passirt ist, was Frohes, was sie sich nicht anders derklären kann als dadurch, daß es gute Geistern giebt, die an denen braven Menschen ein Wohlgefallen haben. Sollsts gleich hören."
Er las vor:
  "Es giebt so wunderliebliche Geschichten, [...]
Als er nun das Buch schloß, um es an seinen Platz zurückzustellen, sagte seine Mutter:
"Siehsts, daß auch dera Dichter glauben will, daß es welche giebt! Wer soll Dir das Geldl bracht haben, wannsts wirklich nicht vorher schon habt hast? Ein Mensch nicht."[3]

1904 wurde dieses Gedicht von Adalbert Fischer in den Sammelband Sonnenstrahlen aus Karl Mays Volksromanen aufgenommen.

in Old Surehand III.[Bearbeiten]

Das Gedicht ist in Karl Mays Reiseerzählung Old Surehand III (1896) enthalten. Die Verse kommen dem Ich-Erzähler in den Sinn, als er über Schutzengel und ihre wundersame Hilfe nachdenkt:

Was für eine von meiner Individualität vollständig getrennte Intelligenz, für eine außer mir liegende Macht kann es aber wohl gewesen sein, welche so in, mit und über mir waltete, mich mahnte, warnte und als sogenanntes böses Gewissen strafte, wenn sie mich unaufmerksam oder gar ungehorsam gefunden hatte? Weder Instinkt noch Zufall kann es sein, sondern Gottes Engel ist es, der mir vom Herrn der Heerscharen beigegeben wurde, mein Führer, Mahner und Berater zu sein. Als ich in meiner Schülerzeit durch den vielgenannten »Zufall«, den es für mich nicht giebt, aus einer großen Gefahr errettet worden war, schrieb ich einige Zeilen in mein Tagebuch, welche noch unter dem Eindrucke der Todesangst entstanden und nicht dichterisch abgefeilt worden sind. Sie haben also nicht den geringsten poetischen Wert; da ich mich aber noch heut, wo ich von meinem Schutzengel spreche, zu ihnen bekenne, so will ich mich erkühnen, ihnen hier einen Platz zu geben:
  Es giebt so wunderliebliche Geschichten, [...]
Ich weiß, daß ich als Schriftsteller mit diesen achtzehn Zeilen eine große litterarische Sünde begehen würde; aber ich meine, in der letzten Viertelstunde nicht geschriftstellert, sondern als Mensch, als wohlmeinender Freund zu meinen Lesern gesprochen zu haben, und Reime aus der Knabenzeit eines Freundes pflegt man doch überall mit kritikloser Güte und mild lächelnder Nachsicht aufzunehmen. Ich bitte auch für mich um diese Schonung![4]

aktuelle Ausgaben[Bearbeiten]

Aktuelle Ausgaben Mayscher Werke sind in der Bücherdatenbank zu finden:

Sonstiges[Bearbeiten]

Das Gedicht hat sein Gegenstück in dem Poem Ganz anders jene heiligen Geschichten.

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Karl May: Old Surehand III. In: Karl Mays Werke, S. 56773 f. (vgl. KMW-IV.20, S. 156 f.).
  2. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 31267–31269 (vgl. KMW-II.27, S. 989–991).
  3. Karl May: Der Weg zum Glück. In: Karl Mays Werke, S. 32386–32388 (vgl. KMW-II.28, S. 1708–1710).
  4. Karl May: Old Surehand III. In: Karl Mays Werke, S. 56773 f. (vgl. KMW-IV.20, S. 156 f.).

Weblinks[Bearbeiten]