Bibliothek der Strafanstalt Schloss Osterstein

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Die Bibliothek der Strafanstalt Schloss Osterstein in Zwickau wurde unter den Lehr-, Unterrichts-, Erziehungs- und Besserungsmitteln der Anstalt als ein "Hauptfaktor aller sittlichen und intellektuellen Erweckung und Hebung der Gefangenen" gesehen.[1]

Umfang und Organisation der Bibliothek[Bearbeiten]

Die Gefangenenbibliothek[Bearbeiten]

Verwaltet wurde die Bibliothek 1867 von Katechet Carl Leberecht Reinhold Hohlfeld. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Bibliothek aus 4.289 Bänden. Diese unterteilten sich in 250 Exemplare Neues Testament/Heilige Schrift, 1.041 Gesangbücher, 222 Bände Lutherische Katechismen und Spruchbücher sowie 2.776 anderweitige Bücher belehrenden Inhalts. Für die Zellengefangenen war eine besondere Bibliothek abgezweigt, die exklusive der Neuen Testamente, Gesangbücher und Katechismen 699 Bände der als anderweitige Bücher ausgewiesenen Werke enthielt.

Die 2.077 "anderweitigen" Bände der Kollektivhaft wurden 1867 26.086 mal ausgeliehen, die 699 Bände der Isolierhaft 3.831 mal.

Für die katholischen Detinierten gab es eine eigene "ziemlich reichhaltige" Bibliothek, die unter der Verwaltung des katholischen Geistlichen stand.[2]

Die Beamtenbibliothek[Bearbeiten]

Die Beamtenbibliothek bestand 1867 aus 107 Werken in 145 Bänden. Sie bestand aus straf- und gefängniswissenschaftlichen Werken, Werken der dabei dienlichen Hilfswissenschaften sowie theologischen und pädagogischen Werken. Als besonderen Teil gab es noch eine ärztliche Bibliothek, die 1867 40 Werke in 51 Bänden zählte. Unter "Beobachung gewisser Vorschriften" konnte sie von allen Beamten der Anstalt genutzt werden.[3]

In der Bibliothek enthaltene Werke[Bearbeiten]

Das Buch Plötzensee. Bilder aus dem Berliner Centralgefängnis aus dem Bestand der Zwickauer Anstaltsbibliothek, erschienen allerdings erst nach Mays Haftzeit.
Plötzensee. Bilder aus dem Berliner Centralgefängnis. Seite 33 mit dem Stempel der Strafanstalt Zwickau

Ein Bestandskatalog der Bibliothek ist bislang nicht ermittelt worden.[4] Es gibt aber mehrere Aussagen über den Inhalt der Bibliothek.

Inspektor Julius Burkhardt hielt zum Inhalt fest: "Die Bibliothek der Landesanstalt Zwickau besteht aus circa 4000 Bänden, welche, nach Inhalt und Form geordnet, auch äußerlich einen erfreulichen Anblick gewähren. Ihr Inhalt erstreckt sich über alle Zweige des menschlichen Wissens und Könnens, über Agricultur, Volkswirthschaft und Pomologie, über Geschichtliches und Physikalisches, wie über Moralisches und Religiöses; die besten Volksschriftsteller, die bekanntesten Namen der verschiedenen Fachmänner sind in ihren Schriften vertreten. So wird auch hierdurch jedem Sträfling reichlich Gelegenheit geboten, zu lernen und zu studiren."[5]

Anstaltsdirektor Eugène d'Alinge schreibt zum Inhalt der Bibliothek, dass sie religiöse, belehrende, technologische und wissenschaftliche Bücher enthält.[6]

Ausgehend von diesen Angaben führt Hainer Plaul folgende Autoren als wahrscheinlich in der Bibliothek der Strafanstalt Zwickau vertreten auf: Johann Friedrich Ahlfeld, Berthold Auerbach, Karl Heinrich Caspari, Otto Glaubrecht (d. i. Rudolf Oeser), Jeremias Gotthelf (d. i. Albert Bitzius), Johann Peter Hebel, Wilhelm Herchenbach, Edmund Hofer, W. O. von Horn (d. i. Wilhelm Oertel), Heinrich Schaumberger, Ferdinand Schmidt, Franz Hoffmann, Gustav Nieritz, Ludwig Rellstab, Christoph v. Schmidt, Johann Daniel Zschokke, Aaron Bernstein, Alfred Brehm, August Wilhelm Grube, Karl Müller, Emil Adolf Roßmäßler, Hermann Wagner, Ranke, Treitschke, Heinrich von Sybel, Giesebrecht, Droysen.[7]

Plaul geht auch davon aus, dass die vom Verein zur Verbreitung guter und wohlfeiler Volksschriften in Zwickau herausgegebenen Werke in der Bibliothek enthalten waren: "Die Kenntnis der von diesem Verein in Umlauf gesetzten Titel trägt mit Sicherheit dazu bei, auch das Wissen über den Bestand der Zwickauer Anstaltsbibliothek zu präzisieren."[8]

Als gesichert kann das Vorhandensein der Pädagogischen Briefe für Aufsichtsbeamte an Strafanstalten von Alexander Krell angenommen werden. Krell schreibt dazu, dass das Buch "in allen Straf- und Correktionsanstalten" seines "enger[em] Vaterland Sachsen eingeführt" wurde.[9] Im Rahmen eines Presseberichts über die Ausstellung "Karl May in Zwickau" heißt es zudem, dass das einzige noch nachweisbare Original aus der Bibliothek die im Schumannhaus gezeigten "Pädagogischen Briefe" seien. Das Exemplar wurde in Rostock erworben.[10]

Karl May selbst führt in seiner Autobiografie Mein Leben und Streben im Rahmen der Beschreibung seiner Arbeit in der Bibliothek die Frauendorfer Blätter, Edmund Höfer und Jeremias Gotthelf (mit dem Werk Wie fünf Mädchen im Brandwein jämmerlich umkommen) als in der Bibliothek vorhanden auf.[11] (Mays Mitarbeit bei der Bibliotheksbetreuung lässt sich aber nicht durch Dokumente nachweisen, möglicherweise verwechselte er dies mit seiner Waldheimer Haftzeit, für dort ist seine Mitarbeit im Bibliotheksdienst belegt.)[12]

Bedeutung für Karl May[Bearbeiten]

Karl May nutzte die Bibliothek während seiner Haft in Schloss Osterstein und betrieb umfangreiche literarische Studien.[13] In seiner Autobiografie hält May dazu fest, dass sich seine Strafzeit in eine Studienzeit verwandelt habe.[14] Er liest in der Gefangenenbibliothek belletristische, historische und populärwissenschaftliche Bücher.[15] Die May-Forschung vermutet, nach Plaul "sicher zurecht", dass die Bestände der Bibliothek wertvolles Quellenmaterial für Mays Schaffen enthalten.[16] In Mein Leben und Streben schreibt May, dass er die Bibliothek der Gefangenen zu verwalten hatte und auch die Bibliothek der Beamten ihm offen gestanden habe:[17] Ich habe diese köstlichen, inhaltsreichen Bücher nicht nur gelesen, sondern studiert und sehr viel daraus gewonnen.[18] Die Mitarbeit Mays in der Bibliothek ist nicht belegt; er kann in Zwickau auch keine der Bibliotheksabteilungen im eigentlich Sinne verwaltet haben, da die Gesamtadministration in den Händen des Katecheten Carl Leberecht Reinhold Hohlfeld lag. May könnte aber etwa zur Ausgabe der Bücher oder zur Führung des Ausgabeverzeichnisses in der Bibliothek der Isolierten herangezogen worden sein. Möglicherweise wurde ihm aber auch hin und wieder eine Entscheidung ganz überlassen.[19]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. Krell: Jahresbericht über Zustände und Ergebnisse bei der Strafanstalt Zwickau, S. 20.
  2. Krell: Jahresbericht über Zustände und Ergebnisse bei der Strafanstalt Zwickau, S. 20 f.
  3. Krell: Jahresbericht über Zustände und Ergebnisse bei der Strafanstalt Zwickau, S. 21.
  4. Hainer Plaul: "Besserung durch Individualisierung", in: Jahrbuch der Karl-May-Gesellschaft 1975, S. 166.
  5. Zitiert nach Plaul: "Besserung durch Individualisierung", S. 166.
  6. Zitiert nach Plaul: "Besserung durch Individualisierung", S. 166.
  7. Plaul: "Besserung durch Individualisierung", S. 166 ff.
  8. Plaul: "Besserung durch Individualisierung", S. 167.
  9. Krell: Pädagogische Briefe. Vorwort zur zweiten Auflage, S. IX.
  10. Sara Thiel: Alles neu macht der May. In: Freie Presse, Literatur, 9. März 2012, S. B1. (Onlinefassung)
  11. May: Mein Leben und Streben, S. 133 f.
  12. Plaul: "Besserung durch Individualisierung", S. 168 f.
  13. Gert Ueding: Karl-May-Handbuch, 2. Auflage, S. 81.
  14. May: Mein Leben und Streben, S. 131.
  15. Dieter Sudhoff/Hans-Dieter Steinmetz: Karl-May-Chronik I, S. 140.
  16. Plaul: "Besserung durch Individualisierung", S. 166.
  17. May: Mein Leben und Streben, S. 131.
  18. May: Mein Leben und Streben, S. 131.
  19. Plaul: "Besserung durch Individualisierung", S. 169.