Berthold Viertel

Aus Karl-May-Wiki
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Berthold Viertel (* 28. Juni 1885 in Wien; † 24. September 1953 in Wien) war ein in Österreich geborener, in Deutschland, den USA und Großbritannien arbeitender jüdischer Schriftsteller, Dramaturg, Essayist, Übersetzer sowie Film- und Theaterregisseur.

Leben und Werk[Bearbeiten]

Durch seine Bekanntschaft mit Karl Kraus und Peter Altenberg arbeitete Viertel 1910 bis 1911 an Kraus' Zeitschrift Die Fackel mit.

Nach dem ersten Weltkrieg wurde Berthold Viertel von Graf von Seebach eingeladen, als Regisseur am Königlichen Theater in Dresden zu wirken. Von 1918 bis 1921 war Viertel als Regisseur in Dresden tätig; er inszenierte am Schauspielhaus die Uraufführung von Walter Hasenclevers Jenseits und die Aufführung von William Shakespeares Sommernachtstraum. Sein Gedichtband Die Bahn entstand auch in Dresden und wurde 1921 veröffentlicht, ebenso die Bachantinnen des Euripides, die Komödie Die schöne Seele und Das Gnadenbrot.

Berufungen als Regisseur und Dramaturg führten ihn u. a. nach Berlin, Zürich, Großbritannien und in die USA. Viertel war 1933 Schauspieler in Berlin, als er nach Frankreich und von dort später in die USA emigrieren musste. In New York war er 1944 Mitbegründer von Wieland Herzfeldes Aurora-Verlag.

Viertel war Übersetzer wichtiger Dramen von Tennessee Williams, die er auch am Wiener Akademietheater inszenierte. Er wurde zudem als Lyriker und Autor bekannt.

Berthold Viertel war von 1918 bis 1947 mit Salka Viertel geb. Steuermann verheiratet und hatte mit ihr drei Söhne. In zweiter Ehe war er Elisabeth Neumann angetraut.

Viertel ist in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof (Gruppe 0, Reihe 1, Nummer 104) beerdigt. Im 10. Wiener Gemeindebezirk Favoriten wurde 1959 die Berthold-Viertel-Gasse nach ihm benannt.

Bibliographie[Bearbeiten]

  • Die Spur. Gedichte. Kurt Wolff Leipzig 1913.
  • Die Bahn. Gedichte. Jakob Hegner Hellerau 1921.
  • Das Gnadenbrot. Erzählungen. Jakob Hegner Hellerau 1927.
  • Fürchte dich nicht! Neue Gedichte. Barthold Fles New York 1941.
  • Der Lebenslauf. Aurora-Verlag New York 1946.
  • Dichtungen und Dokumente. Gedichte, Prosa, Autobiographische Fragmente. Kösel München 1956.
  • Schriften zum Theater. Kösel München 1970.
  • Die Überwindung des Übermenschen. Exilschriften. Verlag für Gesellschaftskritik Wien 1989. ISBN 3-85115-104-6
  • Kindheit eines Cherub. Autobiographische Fragmente. Verlag für Gesellschaftskritik Wien 1991. ISBN 3-85115-125-9
  • Das graue Tuch. Gedichte. Verlag für Gesellschaftskritik Wien 1994. ISBN 3-85115-174-7

Filmografie[Bearbeiten]

  • Nora. 1922/23.
  • Die Perücke. 1924.
  • Die Abenteuer eines Zehnmarkscheines. 1926.
  • 4 Devils. 1929.
  • The One Woman Idea. 1929.
  • Seven Faces. 1929.
  • City Girl. 1930.
  • Die heilige Flamme. 1930/31.
  • The Spy. 1930/31.
  • The Magnificent Lie. 1931.
  • The Wiser Sex. 1931/32.
  • The Man from Yesterday. 1932.
  • Little Friend. 1934.
  • The Passing of the Third Floor Back. 1935.
  • Rhodes of Africa. 1935/36.

Berthold Viertel und Karl May[Bearbeiten]

Nachdem Karl May den Beleidigungsprozess gegen Rudolf Lebius am 12. April 1910 in Berlin-Charlottenburg in erster Instanz verloren hatte, äußerten sich nur wenigen Pressestimmen positiv über May. Unter ihnen befand sich Berthold Viertel, der in einem Aufsatz mit dem Titel Karl May unter anderem schrieb:

Es ist also gerichtlich festgestellt, daß man den alten Karl May einen geborenen Verbrecher nennen darf. Ein vorleben wurde konstatiert, was viel verspätete Entrüstung hervorrief. Die Entrüstung in Ehren, aber man hätte ein wenig nachdenken sollen über das Problem: ob man so ohne weiters von einem geborenen Verbrecher reden kann, wenn einer sich fast vierzig Jahre lang in kriminell einwandfreier Weise fortbringt, ohne Rückfall. Daß einer Romane schreibt, eine ganze Bibliothek, und Auflagerekorde erzielt, spricht wohl eher für den geborenen Romanschreiber.[1]

Im Mai-Heft 1912 der Zeitschrift Der Strom (Wien) griff Stefan Hock den inzwischen verstorbenen Karl May erneut an und zählte dessen Werke zu den verderblichsten Schriften aller Zeiten. Schon im Juni-Heft des gleichen Periodikums setzte Berthold Viertel diesem seinen Aufsatz Für Karl May entgegen:

Die Bücher Karl Mays gehören zu den wenigst grausamen der Gattung. Sie predigen Menschenfreundlichkeit, sie verkünden eine praktische Güte, die sich bei aller religiösen Schönrederei wirklich an die freundlichen Instinkte wendet. Und sie sind relativ ganz ausgezeichnet geschrieben. Wenn es May an erfinderischer Kraft, an Erzählertalent gefehlt hätte, seine Bücher würden nicht in Millionen Exemplaren verschlungen, gelesen und immer wieder gelesen werden. Daß die Buben Karl Mays Gestalten so innig lieben, mit ihnen wie mit Allgegenwärtigen umgehen und sie im Leben nicht mehr vergessen, beweist doch wohl, daß es Gestalten sind, wenn auch nicht Gestalten im künstlerischen Sinn der Erwachsenen. Auf seine Leser wirkt May zweifellos als Dichter, der er irgendwie auch ist. Ein Nichtdichter konnte nie die Freundschaft zwischen Winnetou und Old Shatterhand schildern, nie die Person des Winnetou erfinden, nie das Vorwort zum Winnetou, dieses wirklich schöne Klagelied vom Untergang der indianischen Rasse, schreiben. Daß Herr Dozent Hock sich bei der Karl-May-Lektüre langweilt, glaube ich ihm sofort. Und es beweist mir nur, daß er längst aus jenem unwiederbringlichen Paradies vertrieben, das die kindliche Phantasie heißt. Aber vielleicht sollten sich Pädagogen, um gute Pädagogen zu sein, einige Erinnerung auch an dieses überholte Stadium bewahrt haben.
[...]
Zugegeben, Karl May flunkerte. Er schnitt auf, er erzählte Märchen, und die Märchen, die er über sein Leben erzählte, waren lukrative Märchen. Das Schrifttum sollte ihm's nicht neiden. Und die Pädagogik sollte ihn den jungen Herzen nicht vergällen. Er hatte die große Naivität eines Erzählers, der den noch phantasiegläubigen, werdenden Menschen blaue Wunder vormacht, in aller Gutartigkeit. Er war vielleicht selbst ein großes Kind und glaubte sich selbst, log so sehr aus dem Vollen, daß er selbst mitglaubte. Es wäre ihm zuzutrauen. Denn er log famos, er log mit angeborenem, unerschöpflichem, bezauberndem Talent. Er log so genußvoll, daß wir nicht umhin können, heute, wo die erwachsenen Sorgen uns beim Genick halten, ihm dankbar zu sein für die prachtvollen, sorglos schwelgenden Stunden dereinst.[2]

Veröffentlichungen Berthold Viertels zu Karl May[Bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten]

  1. M-KMG Nr. 33/1977, S. 21.
  2. Jb-KMG 1970, S. 228 f.

Literatur[Bearbeiten]

Informationen über Zeitgenossen Karl Mays finden Sie im Namensverzeichnis Karl May – Personen in seinem Leben von Volker Griese unter Mitwirkung von Wolfgang Sämmer.

Weblinks[Bearbeiten]